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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Calais und sandte weiterhin Hilferufe an den Herzog von Parma, während dieser eine Tagesreise entfernt in den Niederlanden verharrte und die Anfragen mit zunehmend gereizten Schreiben beantwortete. Die Engländer warteten an der Themse und rechneten jeden Moment mit einer Invasion, denn sie wären nie auf den Gedanken verfallen, dass der König seine Armada ohne jeden Schlachtplan auf sie losgelassen hatte.
    So verbrachte die Armada zwei untätige Tage. Dann schickten die Engländer im Schutze der Dunkelheit acht mit Teer bestrichene brennende Schiffe los, die so hell leuchteten wie tausend Signalfeuer. Bei ihrem Anblick durchtrennten die spanischen Kapitäne überstürzt ihre Ankertaue und zerstreuten sich. Am folgenden Morgen schlugen die Engländer zu. Die spanischen Schiffe wurden in Richtung Küste getrieben. Einige erlitten Schiffbruch, andere wurden gekapert, doch der Großteil von ihnen war noch seetüchtig.
    Und am nächsten Tag schickte Gott einen Wind.
    Ein protestantischer Wind, wie viele meinten. Kein noch so frommer Angehöriger einer der beiden Parteien konnte abstreiten, dass die mächtige Armada eigentlich vom Wetter zerstört worden war. Der Sturm blies Tag um Tag und Woche um Woche und wühlte das Meer zu schaumgekrönten Wogen auf. Schiffe verloren den Sichtkontakt; Galeonen wurden über sämtliche nördliche Gewässer zerstreut. Manche strandeten an den Felsen Nordschottlands oder sogar in Irland. Nur einige wenige kehrten nach Hause zurück. Ganz gleich, ob der Wind nun dazu gedacht gewesen war, die Protestanten für ihren Glauben zu belohnen, oder ob er den Zweck erfüllte, die Katholiken für ihre Sünden zu bestrafen – Königin Elisabeth von England und König Philipp von Spanien waren sich darin einig, dass er ganz sicher von Gott kam.
     
     
    Für Lady Albion waren die stürmischen Wochen eine Qual. Zunächst wurde sie auf Gorges’ strikte Anweisung hin in das winzige Gefängnis von Lymington gesperrt. Und das, obwohl der Bürgermeister von Lymington den Adeligen anflehte, die starrsinnige Lady an einen anderen Ort zu verbringen, hinzurichten oder freizulassen – solange er nur nicht mehr die Verantwortung für sie tragen musste. Dennoch wurde sich der Rat erst im Oktober darüber einig, dass Lady Albion zwar eine Verräterin war, aber keine Gefahr für den Staat darstellte. Nach ihrer Entlassung – natürlich hatte Albion ihr stets seine treue Ergebenheit versichert – kühlte sich ihr Verhältnis zu ihrem Sohn ein wenig ab. Im folgenden Jahr schiffte sie sich ein, um ihre Tochter Catherine zu besuchen, deren Gatte Don Diego beim tragischen Untergang der Armada unter geheimnisvollen Umständen verschollen war. Dass ihr eigener Sohn den armen Don Diego an einer geheimen Stelle tief im New Forest beerdigt hatte, und zwar noch während ihrer ersten Nacht im Gefängnis, sollte sie nie erfahren.
    Es war nicht weiter überraschend, dass sie bei ihrer Tochter in Spanien blieb. Und Clement Albion, der sich trotz ihrer Aufforderungen weigerte, ihr dorthin zu folgen, und dadurch seine Chance auf ein Erbe endgültig verspielte, machte sich eine gelassene Haltung zu Eigen: »Ich glaube, ich würde sogar eine meiner Einfriedungen opfern, nur um sicherzugehen, dass sie nie wiederkommt«, gestand er einmal.
    So wurde aus Albion kein wohlhabender Mann. Doch seine Freunde Thomas und Helena Gorges waren auf einmal vom Reichtum gesegnet. Denn Königin Elisabeth gewährte ihnen gnädig die Bitte, das Wrack behalten zu dürfen. Und nachdem Sir Thomas Gorges und seine Frau, die Marquise, die Ladung gelöscht hatten, wurde ihnen klar, dass sie nun eines der größten Vermögen in Südengland besaßen.
    »Und jetzt«, verkündete Helena überglücklich, »kannst du unser Haus in Longford bauen, Thomas.«
    Es dauerte noch fast zwei Jahre, bis Albion die Einladung erhielt, sie zu dem großen Gut unterhalb von Sarum zu begleiten. »Das Haus ist noch nicht ganz fertig, Clement«, sagte sein Gastgeber. »Aber ich hätte gern, dass du es dir ansiehst.«
    Sie haben sich wirklich ein hübsches Plätzchen ausgesucht, dachte Albion, als sie durch die üppig grüne Landschaft am Avon kamen. Allerdings hatte ihn niemand auf den Anblick des Anwesens vorbereitet, das ihn erst den Atem beraubte und dann in Gelächter ausbrechen ließ.
    Denn in einem friedlichen Tal in Wiltshire stand eine gewaltige dreieckige Festung, nur mit großen Fenstern an Stelle von Schießscharten. »Bei allen Heiligen, Thomas!«, rief Albion

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