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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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»wir nehmen zuerst den Weg über Hale Purlieu. Weißt du«, fragte er freundlich, »was ein Purlieu ist, Thomas?« Als Thomas den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »Woher solltest du auch? Ein Purlieu ist ein Gebiet am Rande eines königlichen Forstes, das früher einmal unter das Jagd- und Forstgesetz fiel, jetzt aber davon befreit ist. In diesem Teil des New Forest gibt es einige solche Stellen, weil die Grenzen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verschoben wurden.«
    Die Penruddocks ritten über Hale Purlieu und hatten gerade eine große Heide erreicht, als sie an einer Weggabelung von rechts zwei Reiter kommen sahen. Thomas hörte seinen Vater einen Fluch murmeln, und er sah, wie seine Vettern ihre Pferde zügelten. Als er sich nach dem Grund erkundigen wollte, sah ihn sein Vater so finster an, dass ihm die Frage im Halse stecken blieb. Also beobachteten die Penruddocks schweigend die Reiter – einen Mann und eine Frau –, die etwa hundert Meter vor ihnen grußlos den Pfad kreuzten und ihren Weg über die Heide fortsetzten.
    Im Vorbeireiten konnte Thomas sie eingehend betrachten. Der Mann war unauffällig gekleidet und trug einen hohen schwarzen Hut mit breiter Krempe, wie ihn Cromwells Puritaner bevorzugten. Die Frau war mit einem schlichten braunen Kleid mit kleinem Spitzenkragen angetan. Sie war barhäuptig und hatte rötlich braunes Haar. Trotz ihrer einfachen Aufmachung wiesen das gute Tuch ihrer Kleidung und die prachtvollen Pferde auf Wohlstand hin. Niemand rührte sich, bis sie fast außer Sicht waren.
    »Wer war das, Vater?«, fragte Thomas schließlich.
    »Lisle und seine Frau«, lautete die knappe Antwort.
    »Sie sind die Besitzer von Moyles Court«, ergänzte sein Vetter, »aber sie kommen nicht oft hierher.« Verächtlich zog er die Nase hoch. »Wir sprechen nicht mit ihnen.« Er blickte den beiden Gestalten nach. »Verdammte Königsmörder.«
    So nannte man die Leute, die am Todesurteil gegen den König beteiligt gewesen waren. Nicht alle »Rundköpfe« hatten die Hinrichtung des Königs befürwortet. Fairfax, ein weiterer Befehlshaber neben Cromwell, hatte sich geweigert, dem Prozess gegen den König beizuwohnen. Auch einige andere führende Persönlichkeiten hatten das Todesurteil nicht unterschrieben. John Lisle jedoch waren solche Skrupel fremd. Er hatte der Gerichtsverhandlung beigewohnt und bei der Erstellung der nötigen Dokumente mitgewirkt, er hatte die Hinrichtung befürwortet und kein Mitleid gezeigt, als dem König der Kopf abgeschlagen worden war. Für die Penruddocks war er daher ein Verbrecher und Königsmörder.
    »Und er hat ordentlich davon profitiert«, fügte der Vetter ärgerlich hinzu. Als Armee und Parlament die Güter der Royalisten beschlagnahmten, hatte Cromwell nämlich Lisle die Gelegenheit verschafft, billig Land zu erwerben. »Seine Frau ist auch nicht besser«, fuhr Penruddock von Hale fort: »Sie ist genauso tief in die Sache verwickelt wie er. Beides Königsmörder.«
    »Diese Leute sind die Todfeinde deiner Familie, Thomas«, sagte der Vater leise. »Vergiss das nie.«
    »Und sie haben Macht, John«, ergänzte sein Vetter. »Das ist der springende Punkt. Wir können nichts gegen sie unternehmen.«
    »Oh«, erwiderte Oberst Penruddock versonnen. »Da wäre ich nicht so sicher, Vetter. Man kann nie wissen.« Thomas sah, wie die beiden Männer Blicke wechselten. Doch es wurde kein Wort mehr darüber gesprochen.
    Und nun war er mitten dabei. Die ganze feuchtkalte Märznacht waren sie unterwegs gewesen und hatten Truppen von Reitern in der Nähe von Sarum versammelt. Doch Tom war viel zu aufgeregt, um Müdigkeit zu spüren. Es war immer noch dunkel, eine Stunde vor Morgengrauen, als die Kavalkade – fast zweihundert Mann stark – an der alten Stadtmauer unter dem hohen Schatten des Kirchturms in die Stadt einritt. Sein Vater, ein Herr namens Grove und General Wagstaff, der Botschaften und Anweisungen von der königlichen Exilregierung brachte, bildeten die Spitze des Zuges.
    Sie passierten die Ecke, wo der umfriedete Grund der Kathedrale an die Stadtmauer stieß, und ritten die kurze Straße hinauf, die zum Marktplatz von Salisbury führte. Während sich Fensterläden öffneten und die Menschen, vom frühmorgendlichen Hufgetrappel aufgeschreckt, hinausblickten, machten sich die bewaffneten Männer rasch an die Arbeit.
    »Zwei Mann an jede Tür«, hörte Thomas seinen Vater, der sich dicht vor ihm befand, befehlen. Kurz darauf waren die Eingänge aller Gasthäuser

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