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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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in kleinen Gebetshäusern, wählte seine Gemeindevorstände und Prediger und führte – wenn möglich – ein einfaches, gottesfürchtiges und friedliches Leben. Als Karl I. dieser Freizügigkeit ein Ende bereitet hatte, waren viele Gemeindemitglieder in die neuen Siedlungen nach Amerika ausgewandert. Einige von ihnen kämpften in Cromwells Armee gegen den König. Doch während des Bürgerkriegs und der Regierungszeit des Protektors hatten sie ihre Religion nach Belieben ausüben können.
    Ihr Mann drückte ein Auge zu, wenn Joan Pride jeden Sonntag, ein oder zwei ihrer Kinder im Schlepptau, die drei Kilometer von Oakley nach Lymington ging, wo sie sich mit ihrer Familie im Gebetshaus traf. Wenn Alice nicht mit John in London war, hatte sie hin und wieder diese Andachten besucht. Es gab keinen Grund, der dagegen sprach, denn in Religionsfragen kümmerte man sich nicht um Stand und Herkunft. Zunächst war man zwar erstaunt über die Anwesenheit der vornehmen Dame gewesen, hieß sie aber freundlich willkommen, und Alice fühlte sich in diesem Kreis wohl. »Ich habe von Wanderpredigern schon bessere Predigten gehört als in London«, meinte sie zu John Lisle.
    Nach dem Gottesdienst führte sie häufig ihr Pferd neben Joan Pride und deren Kindern her bis nach Oakley und plauderte mit ihr, bevor sie nach Haus Albion zurückkehrte. Die beiden Frauen verstanden sich gut. Wie es üblich war, sprach Alice die Pächtersfrau mit Gevatterin Pride an, während diese sie Dame Alice nannte. Eigentlich wäre nach Johns Ernennung zum Lord »Lady Lisle« oder »Mylady« die richtige Anrede gewesen, doch Alice stellte belustigt fest, dass Joan Pride sie weiterhin als Dame Alice bezeichnete – ein deutlicher Hinweis darauf, was ihre puritanische Freundin von Lords hielt. Und so freundeten sich Alice Lisle und Joan Pride im Laufe der Jahre miteinander an, erhielten aber die gesellschaftlichen Schranken zwischen Gutsherrin und Pächterin aufrecht.
    In der Woche nach Johns Flucht aus England suchte Joan Pride ihre Freundin in Haus Albion auf. Sie sei zufällig vorbeigekommen, sagte sie und brachte Alice selbst gebackenen Kuchen mit. Da es ausgesprochen unhöflich gewesen wäre, das Geschenk nicht anzunehmen, dankte Alice ihr freundlich, obwohl sie die Kuchen eigentlich nicht gebrauchen konnte. Währenddessen blickte sich Joan Pride aufmerksam in dem großen Herrensitz um, den sie noch nie betreten hatte.
    »Vielleicht sehen wir uns im Gebetshaus, Dame Alice«, verabschiedete sie sich.
    »Ja«, erwiderte Alice geistesabwesend. »Ja, natürlich.«
    Doch vom nächsten Sonntag an ging sie in die Pfarrkirche von Boldre. Da ihr Mann ein flüchtiger Königsmörder war, wollte sie alles vermeiden, was sie bei der neuen royalistischen Regierung in ein schlechtes Licht setzen konnte.
    Etwa einen Monat später, sie ritt an einer ihrer kleinen Einfriedungen vorbei, sah sie, dass Stephen Pride an dem Zaun arbeitete. Auf ihre Frage, was er da täte, zeigte er ihr ein Loch im Zaun. »Wir wollen ja nicht, dass die Hirsche hereinkommen«, meinte er. Hatte ihr Verwalter ihn darum gebeten? erkundigte sie sich. »Es ist mir eben so aufgefallen«, entgegnete er und lehnte die Bezahlung ab, die Alice ihm anbot. In den darauf folgenden Wochen bemerkte sie immer wieder derartige Kleinigkeiten. Eine Kuh war krank: Jemand führte sie zum Verwalter. Ein Baum stürzte über den Weg, der nach Haus Albion führte: Pride und drei Männer aus Oakley hackten ihn klein und brachten das Holz am frühen Morgen zum Haus, ohne dass jemand sie darum gebeten hätte. Alice wurde klar, dass ihre Freunde im Wald ihr helfen wollten.
    Sie besuchte auch weiterhin die Pfarrkirche in Boldre und vermutete, dass Joan Pride Verständnis dafür hatte. Doch nach einer Weile, als klar wurde, dass sie nichts für ihren Mann oder die Rettung seines Besitzes tun konnte, erschien sie eines Sonntags wieder im Gebetshaus in Lymington. Sie wurde begrüßt, als wäre sie nie fort gewesen. Seitdem behielt sie diese Gewohnheit bei.
    Und das hätte sie wohl auch weiterhin getan, wäre nicht das englische Parlament gewesen.
    Die Toleranz von König Karl II. schien sich auch auf die Religion zu erstrecken. Seinem Rat teilte er mit, wenn es nach ihm ginge, könnten seine Untertanen Gott verehren, wie es ihnen beliebte. Allerdings waren sein Rat und auch das Parlament anderer Auffassung. Die Herren im Parlament verlangten nach Ordnung und wollten den Puritanern, die ihnen zuvor solche Schwierigkeiten

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