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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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für uns abfallen«, sagte Puckle ärgerlich zu Jim Pride. Wenn viele Hirsche erlegt wurden, konnten die Reiter mit Geld und einem saftigen Schlegel rechnen. Für gewöhnlich sorgten die adeligen Förster dafür, dass Leute wie Puckle nicht zu kurz kamen. Doch solange sie den ganzen Tag ziellos im Wald umherritten, waren die Aussichten ziemlich düster.
    »Es ist schließlich nicht Jims Schuld«, verteidigte Pride seinen Sohn.
    »Und es ist ja noch früh«, meinte Jim hoffnungsfroh.
    Pride sah Purkiss an. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er den Mann aus Brockenhurst selbst angeworben hatte.
    Purkiss war hoch gewachsen und hatte ein schmales Gesicht und eine ruhige, kluge Art. Die Familie Purkiss lebte schon lange im New Forest und wurde wegen ihrer Vernunft geachtet. »Sie fallen nicht auf«, hatte Stephens Vater gesagt, »aber sie überlegen sich alles gründlich. Einen Purkiss kann man nicht hinters Licht führen.« Pride nahm es sich selbst übel, dass er Purkiss zu dieser Zeitvergeudung überredet hatte, dieser selbst jedoch wirkte nachdenklich, aber nicht unzufrieden.
    Man musste zugeben, dass die Anpflanzung des Königs ein beeindruckender Anblick war. In den letzten siebzig Jahren war so viel Holz durch Schlamperei und mangelnde Zuständigkeiten verloren gegangen, dass man beschlossen hatte, etwas dagegen zu unternehmen. Und Karl hatte schon beim Wiederaufbau des von einem Feuer zerstörten Landhauses Planungsgeschick bewiesen. Auf seinen persönlichen Befehl hin waren im New Forest drei große Bezirke – insgesamt einhundertzwanzig Hektar – wie Einfriedungen eingezäunt worden. Man hatte Eicheln und Bucheckern ausgesät, aus denen Tausende stattlicher Bäume entstehen sollten, die man irgendwann ernten konnte. »Wenigstens werden mir spätere Generationen dafür danken«, hatte der König angemerkt.
    Die Gesellschaft erreichte die große Einfriedung. In Reih und Glied wie eine Armee ragten die Schösslinge aus dem Boden. Gehorsam sahen alle hin und verliehen ihrer Bewunderung Ausdruck. Doch Pride bemerkte, dass der König sich aufmerksam umblickte. Er ritt mit zwei Begleitern das Gelände ab, um den Zaun zu inspizieren.
    »Und nun zum Rufusbaum!«, befahl er, als er zufrieden zurückkam.
    Also ging es wieder los. Die vier Männer aus dem Wald, die den Schluss der kleinen Prozession bildeten, sprachen inzwischen kaum noch. Jim wirkte bedrückt, Puckle gelangweilt. Nur Purkiss machte auch weiterhin einen vergnügten Eindruck, und als Stephen Pride meinte, es täte ihm Leid, ihn vergeblich in den Wald gelockt zu haben, schüttelte er nur lächelnd den Kopf. »Schließlich habe ich nicht jeden Tag Gelegenheit, mit dem König zu reiten, Stephen«, erwiderte er ruhig. »Außerdem kann ein Mann aus so einem Erlebnis eine Menge lernen.«
    »Ich sehe nicht, was ich davon profitieren könnte«, antwortete Pride. »Aber ich freue mich, wenn es dir gefällt.«
    Der Rufusbaum war schon vor achtzig Jahren, zur Zeit der Armada, alt gewesen. Nun neigte sich sein Leben offenbar dem Ende zu. Die alte Eiche wirkte gebrechlich. Der Großteil ihrer Äste war bereits abgestorben. Ein riesiger Riss in der Seite wies darauf hin, dass hier ein großer Ast abgeknickt war. Efeu umwucherte den Stamm. Nur oben in der Krone wuchsen noch ein paar Blätter. Man hatte zum Schutz einen Lattenzaun darum gebaut.
    Nach den heftigen Stürmen, die der Armada zum Verhängnis geworden waren, waren zwei Eicheln vom Baum gefallen und hatten Wurzeln geschlagen. Inzwischen hatten sie sich zu stattlichen Bäumen entwickelt, die ganz in der Nähe standen. Der eine war kleiner und ausladender, da er beschnitten worden war. Der andere war unberührt und ragte hoch empor.
    Alle betrachteten ehrfürchtig den alten Baumriesen. Einige Mitglieder der Gesellschaft stiegen vom Pferd.
    »Hier hat Tyrrell meinen Vorfahren William Rufus erschossen, Nellie«, verkündete der König. Er warf Sir Robert Howard einen Blick zu. »Das ist jetzt fast sechshundert Jahre her. Kann dieser Baum wirklich so alt sein?«
    »Zweifellos, Sir«, erwiderte der Oberförster, obwohl er nicht die leiseste Ahnung hatte.
    »Wie genau geht die Geschichte?«, fragte der junge Monmouth.
    Der König blickte Howard streng an. »Erzählt sie uns genau, Oberförster.«
    Der Adelige errötete und wollte gerade eine ausweichende Antwort geben, da er die Legende vergessen hatte, als zu jedermanns Überraschung ein hoch gewachsener Mann vortrat und sich verbeugte. Es war Purkiss.
    Erstaunt

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