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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ebenfalls eine Zuckerdynastie.
    Das Land der alten Abtei von Beaulieu war durch Heirat von den Wriothesleys an die Familie Montagu und somit an den Herzog von Montagu übergegangen. Wie viele mächtige englische Aristokraten des achtzehnten Jahrhunderts war er Unternehmer. Zwar interessierte er sich nur wenig für die Ruinen der alten Abtei, aber er wusste, dass sich der Fluss von Beaulieu ausgezeichnet für die Schifffahrt eignete. Außerdem besaß er noch die alten Flussrechte der Abtei. »Wenn die Krone mir einen Freibrief gewährt, in Westindien eine Siedlung zu gründen«, überlegte er, »kann ich dort nicht nur eine Zuckerplantage eröffnen, sondern den Zucker auch zu meinem eigenen Hafen in Beaulieu bringen.«
    Das Flussufer war zwar zum Großteil schlammig, bestand aber in der geschützten Biegung aus Kies, der sich ausgezeichnet als Baugrund eignete. Bald war ein Plan für ein kleines, aber hübsches Hafenstädtchen erstellt. »Wir nennen es Montagu Town«, verkündete der Herzog.
    Doch leider kam alles ganz anders. Eine Privatflotte wurde, beladen mit Siedlern, Vieh und sogar mit Fertighäusern, nach Westindien entsandt, was den Herzog zehntausend Pfund kostete. Die Siedlung wurde errichtet, aber die Franzosen jagten die Engländer davon, und der Herzog musste seine hochfliegenden Träume begraben. In Montagu Town war das Ufer bereits gerodet und eingeebnet worden, und man hatte schon eine kleine Straße zum Fluss gebaut. Dann wurden die Arbeiten eingestellt. Für die nächsten zwanzig Jahre kehrte wieder Ruhe ein.
    Allerdings war das Gelände nun erschlossen, und kurz vor der Mitte des Jahrhunderts fand man mit Unterstützung des Herzogs einen Weg, sich diesen Umstand zu Nutze zu machen.
    Da das britische Empire wuchs, drohten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Mächten wie Frankreich und Spanien. Und bei jedem anstehenden Konflikt brauchte man neue Schiffe. Hier im New Forest stand ausreichend Holz für Kriegsschiffe zur Verfügung. Für Handelsschiffe verwendete man Eichen von den Privatgütern der Umgebung. Eine Eisengießerei, die man in der alten Klosterfischerei in Sowley Pond eingerichtet hatte, lieferte die nötigen Metallteile. Und so wurde in Buckler’s Hard eine Schiffswerft eröffnet.
    Sie war zwar nicht sehr groß, musste aber nie über Auftragsmangel klagen. Nach Handelsschiffen bestand eine rege Nachfrage, Kriegsschiffe wurden nach Bedarf gebaut, wenn irgendwo wieder Unruhen ausbrachen – wie zum Beispiel der amerikanische Unabhängigkeitskrieg. Und nun, in den Jahren nach der Französischen Revolution, die eine Gefährdung für jede europäische Monarchie darstellte, führte Großbritannien erneut Krieg gegen Frankreich.
    Am Fluss, in einem schrägen Winkel zum Ufer angelegt, befanden sich die fünf Hellinge, wo die Schiffe gebaut wurden. Überall an der Straße und an einigen Sammelplätzen sah man riesige Holzstapel. Die Arbeiter wohnten zum Großteil zwei bis drei Kilometer entfernt, entweder im Dorf Beaulieu oder am westlichen Rand von Montagus Gut in einer neu gegründeten Siedlung namens Beaulieu Rails. In Buckler’s Hard selbst standen das Haus des Schiffsbaumeisters, eine Schmiede, ein Laden, zwei kleine Gasthöfe, eine Schusterei und die Katen der Vorarbeiter.
    An diesem sonnigen Frühlingsmorgen hatte man früh mit der Arbeit begonnen. Aus der Esse des Schmieds schlängelte sich fröhlich ein Rauchfaden. Mr. Henry Adams, Schiffsbaumeister und der Inhaber der Werft, der trotz seiner achtzig Jahre auch weiterhin überall nach dem Rechten sah, verließ gerade sein Haus. Seine beiden Söhne begleiteten ihn. Am Ufer wurde emsig gesägt und gehämmert. Männer schleppten Holzbohlen; vor dem Gasthof Ship Inn stand ein Wagen.
    Doch niemand bemerkte Puckle, als dieser aus Beaulieu Rails mit gehöriger Verspätung zum Dienst erschien und die Straße entlangschritt. Die Männer an der Säge blickten zwar kurz hoch, nahmen ihn aber nicht wahr. Auch den Frauen am Dorfbrunnen fiel er nicht auf. Der Schuster, die Wirte, die Holzträger, die Schiffsbauer, ja sogar der alte Mr. Adams mit seinen Adleraugen und seine beiden aufgeweckten Söhne – keiner dieser braven Leute sah Puckle, als er an ihnen vorbeimarschierte. Er war absolut unsichtbar.
    Das Wunder wurde noch dadurch vergrößert, dass alle auf der Werft geschworen hätten, er wäre den ganzen Vormittag da gewesen, als er auf das Schiff kletterte, das sich gerade am Ufer im Bau befand.
     
     
    »Diese

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