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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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bis jetzt nie sehr viel Verstand verlangt. Ich empfinde diese geistige Herausforderung als sehr anregend.«
    »Aha«, entgegnete er ebenso zufrieden wie nachdenklich.
    Das Dorf Lyndhurst hatte sich seit dem Mittelalter kaum verändert. Das Grafschaftsgericht des New Forest trat immer noch hier zusammen. Die königliche Residenz war zwar ein wenig vergrößert worden und verfügte nun über geräumige Stallgebäude und ausgedehnte eingezäunte Gärten, war aber genau genommen noch immer nicht viel mehr als eine Jagdhütte. In der Nähe befanden sich zwei Herrensitze namens Cuffnell und Mountroyal. Doch die Streusiedlung Lyndhurst selbst war ein Weiler geblieben. Allerdings hob die hübsche Kirche, welche die alte königliche Kapelle ersetzt hatte und ein wenig erhöht neben der Residenz stand, die Stellung der Ortschaft. Man konnte sie schon aus vielen Kilometern Entfernung sehen.
    Sie machten kurz vor der Residenz Halt und besichtigten dann die Rennbahn. Eigentlich handelte es sich nur um eine große Wiese nördlich von Lyndhurst. Sitzreihen gab es nicht, denn in jener Zeit war es üblich, sich Rennen von der Kutsche oder vom Wagen aus anzusehen.
    »Eine der Hauptattraktionen hier sind die Ponyrennen im New Forest«, erklärte Edward. »Du wärst überrascht, wie schnell sie laufen können und wie sicher sie sind. Du musst unbedingt wiederkommen, wenn ein Rennen stattfindet, Martell.«
    Und etwas in Martells Miene sagte Louisa, dass er das sicher tun würde.
    Dann ging es weiter nach Beaulieu. Der Pfad zu der alten Abtei, der in südöstlicher Richtung über die Heide verlief, begann unterhalb der Rennbahn von Lyndhurst. Unterwegs kamen sie an zwei ausgesprochen merkwürdigen Sehenswürdigkeiten vorbei, die sofort Martells Neugier weckten. Die erste war ein großer, mit Gras bewachsener Hügel.
    »Man nennt ihn Bolton’s Bench«, antwortete Edward auf seine Frage.
    Der Herzog von Bolton, ein bedeutender Magnat aus Hampshire, hatte zu Anfang des Jahrhunderts beschlossen, den ehemaligen Aussichtspunkt des Försters Cola zu erhöhen, sodass man von dort aus ganz Lyndhurst überblicken konnte. Der Herzog war dafür bekannt, dass er gern verändernd in die Landschaft eingriff. An einer anderen Stelle des New Forest hatte er eine gewaltige gerade Schneise durch den alten Wald schlagen lassen, um dort mit seinen Freunden auszureiten. Doch was Martell noch mehr verblüffte als Boltons künstlicher Hügel, war der riesige, mit Gras bewachsene Erdwall, der sich dahinter erstreckte.
    »Das ist Park Pale«, erläuterte Edward. »Früher wurden hier Hirsche zusammengetrieben.«
    Die große Hirschfalle, wo Cola die Jagd überwacht hatte, war wirklich ein beeindruckender Anblick. Fünf Jahrhunderte zuvor war sie vergrößert worden. Nun verlief der hohe Wall fast drei Kilometer lang quer durch die Landschaft, bevor er eine Kurve zurück in den Wald unterhalb von Lyndhurst beschrieb. Im klaren Morgenlicht wirkte das verlassene Bauwerk wie ein Überbleibsel aus prähistorischer Zeit. Doch es gab immer noch Hirsche im Wald, die auch weiterhin gejagt wurden. Bis auf die nahe gelegene Straße und die Kirche auf dem Hügel bei Lyndhurst sah es in dieser Gegend noch aus wie damals im Mittelalter. Und während die Ausflügler den Erdwall betrachteten, war ihnen, als könnte jederzeit ein weißlicher Hirsch hinter Bolton’s Bench auftauchen und über die Heide davonspringen.
    In diesem Augenblick hörten sie hinter sich einen Freudenruf. Als sie sich umdrehten, sahen sie eine kleine offene Kutsche den Pfad hinter Bolton’s Bench entlangfahren. Darin erkannten sie Mr. Gilpins kräftige Gestalt. Der Geistliche schwenkte fröhlich den Hut. Neben ihm saßen der junge Furzey – und Fanny Albion.
    »Oh«, sagte Louisa.
     
     
    Der Besuch der Haushälterin Mrs. Pride am Vortag hatte ihn überrascht. Doch seine Neugier war geweckt, und der Reverend war gerne bereit, etwas für Fanny zu tun. Er stimmte mit Mrs. Pride überein, dass Miss Albion ihre Cousins unbedingt begleiten müsse – vor allem, wenn man sich Mr. Albions gestriges Benehmen vor Augen hielt. Allerdings wies er Mrs. Pride darauf hin, dass es wohl kaum möglich sein würde, Fanny loszueisen, solange sich die Missstimmung des Alten nicht legte.
    Mrs. Pride teilte diese Auffassung zwar, erwiderte aber: »Manchmal, Sir, schläft Mr. Albion den ganzen Tag und würde Miss Albions Abwesenheit gar nicht bemerken.«
    »Denken Sie, dass morgen so ein Tag sein könnte?«, fragte der

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