Der Wald der Könige
wirst.«
»Ja, Tante Adelaide«, antwortete Fanny. »Allerdings glaube ich nicht, dass es jemals dazu kommen wird.«
Doch offenbar hatte ihre Tante die letzte Bemerkung nicht gehört. Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster in die Dämmerung. »Hat dein Vater dir gegenüber je Sir George West erwähnt, Fanny?«, fragte sie dann.
»Ein- oder zweimal.« Fanny dachte nach. »Soweit ich mich erinnere, war er ein Freund in London.«
»Eine angesehene alte Familie. Sein Neffe, Mr. Arthur West, hat gerade Hale übernommen. Da ich ohnehin vorhatte, meinen alten Freund, den Vikar von Fordingbridge, zu besuchen, das ganz in der Nähe liegt, dachte ich mir, ich könnte ihn einmal kennen lernen.«
»Ich verstehe.« Fanny schmunzelte. Offenbar war es ihr nicht gelungen, ihre Tante abzulenken. »Ist Mr. Arthur West denn eine gute Partie?«
»Wie man hört, ist er ein Gentleman. Sein Onkel wird ihm einen Teil seines beträchtlichen Vermögens vermachen. Mehr weiß ich bis jetzt auch nicht.«
»Also möchtest du ihn unter die Lupe nehmen?«
»Wir, Fanny. Denn du wirst mich begleiten.«
Im September kehrte Mr. Martell in den New Forest zurück. Diesmal wohnte er bei Sir Harry Burrard, dem Bürgermeister.
Fanny hatte viel über Mr. Martell und sein großes Gut in Dorset gehört, seit Louisa wieder in Lymington war. »Oh, Fanny, ich habe mich bis über beide Ohren in sein Haus verliebt, dir würde es sicher genauso gehen!«, rief sie aus. »Ein Jammer, dass du es nicht sehen konntest. Die Lage ist ein Traum; ringsherum Kreidefelsen. Und Mr. Martell herrscht als Gutsbesitzer über das ganze Dorf.«
»Ist das Haus alt?«
»Der hintere Teil ist sehr alt und, wie ich zugeben muss, ziemlich düster. Ich würde ihn sofort abreißen. Aber der neue Flügel hat große Zimmer, ist ausgesprochen hübsch, und man hat eine wunderbare Aussicht auf den Park.«
»Das klingt wirklich nett.«
»Und erst die Bibliothek, Fanny! Du wärst gewiss begeistert gewesen. So viele Bücher auf einmal hast du noch nie gesehen, und alle in wunderschönen Einbänden. Auf einem Tisch liegen sämtliche Londoner Zeitschriften, die er sich schicken lässt, um zu wissen, was sich in der feinen Gesellschaft tut. Ich schwöre, ich habe fast eine halbe Stunde dort verbracht.«
»Es freut mich, dass Mr. Martell dich so fleißig erleben durfte.«
»Oh, zu Hause ist er ganz ungezwungen, Fanny, das kann ich dir versichern, überhaupt nicht so gelehrt. Wir haben uns gut amüsiert. Er zeichnet – sehr gut, wie ich sagen muss –, und meine bescheidenen Versuche haben ihm offenbar gefallen. Diese hier fand er besonders gelungen.« Sie holte eine kleine Skizze hervor. »Erinnerst du dich noch an unseren Ausflug nach Buckler’s Hard?«
Fanny musste zugeben, dass die Zeichnung wirklich kunstvoll war. Sehr gut sogar. Natürlich handelte es sich um eine Karikatur, doch der Gegenstand war großartig getroffen. Es war Puckle. Louisa hatte ihn als Gnom, halb Baum, halb Ungeheuer, dargestellt. Allerdings fand Fanny die Abbildung grotesk und ziemlich abstoßend.
Sie erschauderte. »Hältst du das nicht für ein bisschen grausam?«, fragte sie.
»Fanny, glaubst du etwa, dass ich sie diesem Burschen zeige? Sie ist nur für uns bestimmt.«
»Das verändert die Sache vermutlich.« Aber was würdest du sagen, dachte Fanny, wenn du wüsstest, dass ich, eine Albion, vielleicht mit diesem Bauern verwandt bin? Und wie würdest du mich dann zeichnen?
Außerdem erfuhr sie von Louisa, dass Martell bereits wegen des Sitzes im Parlament an den Bürgermeister geschrieben hatte.
Als Mr. Martell bei den Burrards eintraf, kam Louisa noch am selben Tag zu Fanny und verkündete, sie und Edward seien dort zum Abendessen eingeladen. »Schließlich ist Sir Harry unser Verwandter.« Also war es nicht weiter überraschend. Und da Mr. Martell beabsichtigte, mindestens eine Woche zu bleiben, nahm Fanny an, dass er sie zu gegebener Zeit aufsuchen würde. Deshalb war sie recht enttäuscht, als Tante Adelaide sagte: »Am Dienstag fahren wir nach Fordingbridge, Fanny. Mein Freund, der Vikar, wird uns für eine Nacht aufnehmen. Und am Abend speisen wir mit Mr. Arthur West.«
»Können wir das nicht ein bisschen verschieben?«, fragte Fanny. Heute war Samstag. Was war, wenn Martell sich erst am Montag blicken ließ? Oder womöglich am Dienstag, sodass er sie verpassen würde?
»Verschieben? Aber nein, Fanny. Man erwartet uns. Außerdem müssen wir am Mittwochnachmittag zurück sein, da du
Weitere Kostenlose Bücher