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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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würden mir helfen, dass Mr. Cumberbatch und ich Freunde bleiben können.«
    Selbst der Vorsitzende grinste nun übers ganze Gesicht, und der junge Pair gab sich würdevoll geschlagen.
    »Ich glaube«, verkündete der Vorsitzende, »dass wir uns ein gutes Bild von Mr. Pride aus dem New Forest machen konnten. Der Zeitpunkt eignet sich großartig für eine kleine Pause.«
     
     
    Aufgeregt wartete die weißhaarige Frau in der großen, menschenleeren Kirche oben auf dem Hügel. Sie hatte ihrem Mann dieses Treffen verschwiegen.
    Mr. Arthur West und Louisa Totton hatten zwei Söhne und vier Töchter gehabt. Die Söhne waren erzogen worden, in der Welt zu bestehen, die Töchter hatte man gelehrt, erst ihren Eltern und dann ihren Ehemännern zu gehorchen. Unter dieser Voraussetzung hatte Mary West auch Godwin Albion geheiratet. Und da sie sich immer an die Regeln gehalten hatte, empfand sie wegen des heimlichen Stelldicheins in der Kirche von Lyndhurst Gewissensbisse. Erschwerend kam hinzu, dass sie sich mit einem Mann wie Mr. Minimus Furzey traf, dessen Ruf alles andere als einwandfrei war.
    Frauen behandelten Minimus stets mit Nachsicht. Das war schon sein ganzes Leben lang so gewesen. Er war das jüngste Kind einer großen Familie, der Liebling, dem man alles verzieh, wofür seine älteren Geschwister bestraft worden wären. Männer hingegen – besonders verheiratete – hatten weitaus weniger Verständnis für Minimus. Und dasselbe galt für Väter.
    Es hatte seine Eltern nicht weiter verwundert, dass Minimus Künstler werden wollte. Die Begabung lag in der Familie. Zwei der Schwestern hatten reiche Geschäftsleute geheiratet, und sie versorgten Minimus nun mit den bescheidenen Mitteln, die es ihm erlaubten, ohne finanzielle Sorgen seinen Interessen zu folgen.
    Vor drei Jahren war Minimus in den New Forest gekommen und hatte beschlossen, dass es ihm dort gefiel. Nach Gilpins Abhandlung über das Pittoreske waren viele Maler und Schriftsteller hierher gereist, um es mit eigenen Augen zu sehen. Der Autor Kapitän Marryatt, dessen Bruder ein Haus an der alten Schmugglerroute namens Chewton Glenn gekauft hatte, hatte die Gegend vor zwanzig Jahren in seinem Buch Kinder des Waldes unsterblich gemacht. »Ist es das Tanzen des Lichts auf der Heide oder die Schönheit der Eichen, die Künstler wie Sie hierher bringt?«, hatte eine begeisterte Dame Minimus einmal gefragt.
    »Beides, aber hauptsächlich ist es die Eisenbahn«, hatte dieser erwidert.
    Dass im New Forest viele kleine Bauern namens Furzey lebten, die zweifellos mit ihm verwandt waren, empfand Minimus weder als peinlich noch kümmerte es ihn überhaupt, denn er neigte dazu, über Standesunterschiede leichtfertig hinwegzugehen. Dabei trat er die Konventionen nicht mit Füßen, er nahm sie einfach nur am Rande zur Kenntnis. Minimus tat einfach das, was ihm angenehm erschien, und er war aufrichtig erstaunt, wenn die Menschen deshalb wütend auf ihn wurden. Das traf auch und vor allem auf seinen Umgang mit Frauen zu.
    Minimus verführte Frauen nicht mit Berechnung, sondern aus reiner Lust am Vergnügen. Wenn sie sich von seiner jungenhaften Arglosigkeit umgarnen ließen, wenn sie ihn romantisch fanden und ihn bemuttern wollten oder wenn er sich plötzlich von einer hübschen jungen Frau angezogen fühlte – so gehörte das für ihn zu den Wundern der Natur. Er fragte nicht, ob er eine Dame oder ein Bauernmädchen vor sich hatte oder ob die Betreffende ledig oder verheiratet, unschuldig oder erfahren war. Minimus genoss das Leben in vollen Zügen. Und es war ihm rätselhaft, warum der Rest der Welt diese Sorglosigkeit nicht teilte.
    Da er die Westseite des New Forest bevorzugte, hatte er sich ein hübsches kleines Häuschen unweit von Fordingbridge gekauft und es nach seinem Geschmack eingerichtet. Die Wände wurden von seinen Ölgemälden und Aquarellen geschmückt. In einem Anbau waren sein Atelier und ein Arbeitszimmer untergebracht, wo er seine Pflanzen- und Insektensammlung – an diesen Dingen hatte er ein wissenschaftliches Interesse – aufbewahrte. Doch sein liebstes Stück stand oben in seinem Schlafzimmer.
    Er hatte es auf einem Spaziergang in der Nähe von Burley entdeckt, als er einige Arbeiter beobachtete, die gerade die ausgebrannte Ruine eines alten Hauses abrissen. Neugierig wie immer war er eingetreten. Das Dach fehlte bereits. Im oberen Stockwerk, bedeckt von Asche und verkohlten Balken, stand ein zerbrochenes Bettgestell, das noch zu reparieren war,

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