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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Cumberbatch verkündet, sie werde von nun an Grockletons Namen tragen. Bald war Grockleton klar geworden, dass ein ganzer Wald, der noch viele Generationen später auf allen Landkarten verzeichnet sein würde, einem einfachen Straßenschild bei weitem vorzuziehen war. Seine Einhegung war sein größter Stolz und seine Freude.
    Das Gebiet befand sich in der Mitte des New Forest unweit von Lyndhurst und erstreckte sich über mehr als einhundertzwanzig Hektar. Doch am besten gefielen Grockleton die Bäume, die darin gepflanzt waren. Denn es waren weder Eichen noch Buchen dabei, nur Weißtannen.
    Seit einem halben Jahrhundert wurden im New Forest schon Tannen gepflanzt, die für gewöhnlich dazu dienten, junge Eichen und Buchen vor Sturm zu schützen. Große Tannen verwendete man zuweilen als Schiffsmaste, doch die Marine hatte einen viel größeren Bedarf nach Eichen und Buchen. Zumindest bis vor kurzem, denn inzwischen wurden Schiffe zunehmend aus Eisen gebaut. In Buckler’s Hard ruhte die Arbeit. Die Werften waren von Gras überwuchert, die Hütten an Handwerker und Arbeiter vermietet. Seit 1851 enthielten die Einhegungen eine andere Mischung von Bäumen. Die langsam wachsenden großblättrigen Eichen und Buchen mit ihrem harten Holz hatten Weißtannen und anderen Nadelbäumen Platz machen müssen, die schnell heranreiften, über ein weiches Holz verfügten und sich in kurzer Zeit abernten ließen, um den Profit zu mehren. Auf diese Weise hatte sich das Gesicht des Waldes in den letzten Jahren allmählich verändert. An die Stelle der abwechslungsreichen Waldlandschaft aus Eichenhainen und Lichtungen traten zunehmend die militärisch angeordneten Reihen der Nadelbaum-Anpflanzungen, die den ganzen Winter über dunkelgrün waren. Außerdem breiteten sich die Tannen aus, wuchsen hie und da schon auf der Heide oder sprossen im sauren Moorboden. Doch am meisten begeisterte Grockleton an seiner Einhegung, dass jeder Zentimeter Boden genutzt war.
    »Schauen Sie, wie dicht nebeneinander die Bäume gepflanzt sind, Pride«, stellte er zufrieden fest. Der Abstand zwischen den Bäumen war so gering, dass man nicht dazwischen hindurchgehen konnte, ohne ihre Nadeln zu streifen. »Sie nehmen alle Kräfte aus dem Boden auf. Nichts wird verschwendet.« Grockleton war das Gras und Unterholz unter den ausladenden Eichen stets als Vergeudung erschienen. Buchenplantagen konnte er mehr abgewinnen, da der Boden darunter hauptsächlich mit Moos bedeckt war. Doch da es zwischen den Tannen weder genügend Platz noch Licht gab, wuchs dort überhaupt nichts mehr, nicht einmal Gräser und Flechten. Es gab kein Leben. »So muss eine richtige Baumschule aussehen, Pride«, erklärte er dem Waldhüter. »Es ist eine gewaltige Verbesserung.«
    »Ja, Sir«, erwiderte George.
    Sie nahmen den Pfad durch die Anpflanzung und bewunderten die wunderbare Gleichförmigkeit der Bäume. Nachdem sich der Kommissionär ausreichend umgesehen hatte, verkündete er, er wolle nun den nördlichen Teil des New Forest besichtigen. Also führten sie ihre Pferde am Zügel über die Heide.
    George Pride war ein sympathisch wirkender junger Mann. Sein rosiges, glatt rasiertes Gesicht wurde von einem schmalen Bartkranz umrahmt, der um Wangen und Kinn verlief. Außerdem machte er einen fleißigen, gutwilligen Eindruck. Und Grockleton ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, etwas zu seiner Bildung beizutragen.
    »Sie werden feststellen, Pride, dass ich ein Mann bin, der frei von der Leber weg redet«, erklärte er. »Und ich mag es, wenn die Leute offen mit mir sind.«
    »Ja, Sir«, erwiderte George.
    »Die Waldbehörde«, fuhr Grockleton fort, während sie zu dem Bach namens Dockens Water hinunterstiegen, »bewirkt gewaltige Verbesserungen im New Forest.«
    »Ja, Sir«, entgegnete George.
    »Schön, dass Sie meine Ansicht teilen«, meinte Grockleton. Denn viele taten das nicht. Der Zustand der Straßen im New Forest war ein typisches Beispiel dafür. Als die alten Mautstraßen gegen Mitte des Jahrhunderts allmählich verfielen, übernahm in den meisten Teilen Englands die Gemeinde die Reparaturarbeiten. Doch fühlten sich die Gemeinden im New Forest dafür zuständig? Weit gefehlt. Und als er und die Herren von der Waldbehörde dagegen protestiert hatten, hatten die Gemeinderäte doch tatsächlich die Stirn gehabt zu antworten: »Wenn die Waldbehörde Straßen will, soll sie die selbst bezahlen. Wir brauchen sie nicht.« Was sollte man mit solchen Menschen bloß

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