Der Wald der Könige
geringen Größe sind sie sehr widerstandsfähig. Sie könnten sich wenn nötig von Heidekraut und Sumpfgras ernähren. Und sie geben viel Milch. Es kommen sogar Bauern aus Sarum zu uns nach Ringwood, um unsere Rinder zu kaufen und sie mit ihren eigenen zu kreuzen. Und da die Weiden dort oben fruchtbarer sind, ist der Milchertrag noch höher.«
»Sie lassen Ihr Vieh im New Forest grasen?«
»Anders könnte ich es nicht durchfüttern. Ich würde viel mehr Land brauchen.«
»Also könnten Sie ohne Gewohnheitsrechte Ihre Familie nicht ernähren?«
»Nein, unmöglich. Und dann gäbe es noch ein Problem. Es hat mit den Kindern zu tun, Sir. Zwei meiner Söhne sind inzwischen erwachsen. Einer wohnt bei mir, der andere hat eine Stellung angenommen. Doch er besitzt ebenfalls einen knappen Hektar Land und schickt sein Vieh zum Weiden in den New Forest. Auf diese Weise verdoppelt er sein Einkommen. In ein paar Jahren wird er sich einen eigenen Bauernhof kaufen und eine Familie gründen können.«
»Sie besitzen auch das Recht zum Torfstechen?«
»Ja. Damit und mit dem Holz aus dem New Forest heize ich mein Haus.«
»Und ohne diese Rechte…?«
»Müssten wir frieren.«
»Also fürchten Sie um Ihre Zukunft?«
»Ja.«
Die Kommission schwieg. Pride hatte die Herren sehr beeindruckt. Er war kein verschlagener Waldbewohner, der von der Hand in den Mund lebte, sondern ein freier Bauer, wie es sie auf dieser Insel schon lange vor der Zeit der Feudalherren gegeben hatte.
Nur der junge Pair schien Pride weiter befragen zu wollen. Denn Cumberbatch hatte ihm einen Zettel zugesteckt.
»Mr. Pride.« Er betrachtete den Bauern nachdenklich. »Soweit ich im Bilde bin, hat es Widerstand gegen die Einhegungen gegeben. In manchen Fällen sollen sogar Zäune niedergerissen und Feuer gelegt worden sein. Ist das richtig?«
»Ja, davon habe ich auch gehört.«
»Vermutlich war das bis jetzt der einzige Weg, wie ein Bauer seinem Ärger Luft machen konnte. Stimmen Sie mir zu?«
Das war eine Falle. Oberst Albion versuchte, Blickkontakt mit Pride aufzunehmen. Doch dieser starrte auf die Wand hinter der Kommission.
»Das kann ich nicht sagen, Eure Lordschaft.«
»Aber Sie haben doch gewiss Verständnis für diese Leute.«
»Natürlich muss man Mitleid mit jedem Menschen haben, dem der Lebensunterhalt genommen wird«, erwiderte Pride ruhig. »Aber man darf nicht gegen das Gesetz verstoßen. Davon halte ich nichts.«
»Sie selbst würden so etwas also nie tun?«
Pride blickte den jungen Pair gelassen an. Auch wenn er Wut oder Verachtung empfand, ließ er sich das nicht anmerken.
»Ich habe noch nie im Leben ein Gesetz gebrochen«, verkündete er feierlich.
Gut gemacht, dachte Albion. Er sah den jungen Pair an, in der Hoffnung, dieser möge endlich aufgeben. Doch anscheinend war das nicht der Fall.
»Mr. Pride, Sie sind offenbar ein großer Gegner der Waldbehörde. Sie haben doch einen Sohn namens George Pride, richtig? Würden Sie uns bitte sagen, wo er arbeitet?«
»Ja, Sir. Er ist Forstgehilfe und arbeitet für Mr. Cumberbatch.«
»Also bei der Waldbehörde«, triumphierte der junge Pair. Jetzt hatte er diesen Bauern erwischt. »Warum ist Ihr Sohn für die Waldbehörde tätig, wenn es dort doch nur so von Verbrechern wimmelt? Oder hat er sich gar mit dem Feind verbündet?«
Albion schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Trotz seiner sorgfältigen Vorbereitungen hatte er damit nicht gerechnet. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass sich ein Mitglied des Oberhauses entblößen würde, einen Bauern wegen seines Sohnes zu hänseln. Vielleicht hatte der junge Pair auch seine Anweisungen nicht richtig verstanden. Albion drehte sich um und warf Cumberbatch einen verächtlichen Blick zu.
Er sah, wie sich Prides Nackenhaare sträubten. Mein Gott, das Pulverfass konnte jeden Moment hochgehen. Der Oberst hielt den Atem an.
Pride lachte leise auf und schüttelte den Kopf. »Nun, ich denke, ein junger Mann muss jede Arbeit annehmen, die er bekommen kann, Eure Lordschaft. Finden Sie nicht? Und was Mr. Cumberbatch betrifft, ist er nicht mein Feind.« Er wandte sich zu Cumberbatch um und lächelte ihm zu. »Jedenfalls zurzeit nicht. Wenn Mr. Cumberbatch natürlich«, meinte er wieder zu dem jungen Pair, »so viele Einhegungen anlegt, dass ich ruiniert bin und mit meinen Kindern ins Armenhaus muss, dann könnte man ihn als meinen Feind bezeichnen, obwohl ich es lieber anders hätte. Ich bin hier, Eure Lordschaft, weil ich gehofft habe, Sie
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