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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seinem Pony mitgenommen, weil ich dachte, dass diese Arbeit ihm auch eines Tages Freude machen könnte. Er bemerkte sogar noch früher als ich, wenn eine Kuh krank war, und ich schickte ihn dann los, um es dem Besitzer zu melden. Damals war er etwa sechzehn und mir eine große Hilfe.
    Doch am glücklichsten waren wir über Dorothy. Die Furzeys waren in den Jahren, nachdem ich meine Stelle bei Cumberbatch verloren hatte, sehr gut zu ihr gewesen. Sie ließen sie bei sich wohnen und zahlten ihr Lohn, was für uns eine gewaltige Erleichterung war. Abgesehen davon, dass sie viel über Haushaltsführung lernte, brachten die Furzeys ihr auch sonst noch eine Menge bei. Sie las Bücher, die andere Mädchen in ihrem Alter noch nicht verstanden hätten. Jedes Jahr bekamen meine Frau und ich von ihr zu Weihnachten ein selbst gemaltes Bild, und sie war wirklich sehr begabt. Wir hingen die Bilder alle auf, und wir waren sehr stolz auf sie. Und ich muss sagen, dass sie ein ausgesprochen hübsches Mädchen war, groß, schlank und mit langem, dunklem Haar. Außerdem war sie sehr tüchtig im Haushalt und eine zweite Mutter für die Kinder. Als wir nach Fritham zogen, war meine Frau sehr froh, sie wieder bei uns zu haben. Wir dachten, die jungen Burschen würden uns bald die Türen einrennen.
    Wie viele Mädchen beschloss sie, Heimarbeit anzunehmen, und wusch anderen Leuten die Wäsche. Sie hatte Kundschaft in den umliegenden Dörfern. Alle zwei Wochen holte sie Wäsche von den Furzeys ab. Als Jack zwei Jahre alt war, arbeitete sie von früh bis spät. Manchmal war sie stundenlang unterwegs, um Wäsche auszutragen. Damals war sie etwa zwanzig.
    Warst du je am Teich von Eyeworth? Ich weiß noch, dass damals dort ein hübsches kleines Forsthäuschen stand. Wie du weißt, ist das von Fritham nur einen knappen Kilometer Fußweg entfernt. Doch dann verkaufte es die Waldbehörde an einen Mann, der dort Schießpulver herstellen wollte. Kannst du dir so etwas vorstellen? Eine Schießpulverfabrik mitten im New Forest? Aber so ist die Waldbehörde nun einmal. Also erwarb eine deutsche Firma das Haus und richtete dort die Schießpulverfabrik Schulze ein. Sie benutzten den Teich als Abwasserbecken und bauten verschiedene Schuppen, die man zum Glück wegen der vielen Bäume kaum sehen konnte. Allerdings wusste man trotzdem, dass sie da waren.
    Kaum zu fassen, welche Mengen von Abwässern diese Firma produzierte. Sie waren dunkel und stanken nach Schwefel. Und sie wurden in den Latchmore Brook geleitet, der dort vorbeifließt. So wurden sie kilometerweit nach Westen über die Heide geschwemmt. Zu meinen Aufgaben als Viehinspektor gehörte auch, die Rinder von diesem Fluss fern zu halten, da sie krank wurden, wenn sie von dem Wasser tranken. Ein paar von ihnen sind auch gestorben.
    Etwa zwei Jahre nach unserem Umzug nach Fritham kam ich in Eyeworth vorbei, als ich Dorothy traf. Sie war sehr blass. Ich wusste sofort, dass sie auf mich gewartet hatte.
    ›Ich muss mit dir reden, Vater‹, sagte sie. Ich fragte sie, warum wir uns nicht zu Hause unterhalten könnten, aber sie schüttelte den Kopf. ›Ich kann nicht mehr nach Hause.‹
    Also stieg ich ab und stellte mich neben sie an den stinkenden Bach. Und dann erzählte sie mir, dass sie schwanger war.
    Wie du dir sicher denken kannst, war ich sehr überrascht, da ich gar nicht wusste, dass sie einen Verehrer hatte. Hoffentlich ist es wenigstens ein anständiger Mann, überlegte ich. Und mein zweiter Gedanke war: Bitte lass ihn nicht bei der Waldbehörde arbeiten.
    ›Oh‹, meinte ich. ›Dann wirst du ja bestimmt bald heiraten.‹
Doch sie schüttelte nur wieder den Kopf. ›Möchtest du, dass ich mir den jungen Mann mal vorknöpfe?‹, fragte ich sie. Denn manchmal lassen sich die Herren ja gerne etwas bitten.
    ›Es ist kein junger Mann‹, erwiderte sie. ›Und er ist schon verheiratet.‹
    ›Oh‹, sagte ich.
    ›Ich weiß nicht, was ich tun soll, Vater. Deshalb habe ich dich gesucht. Ich kann Mutter nicht gegenübertreten.‹
    Seltsam, dass sie sich an mich und nicht an ihre Mutter gewandt hat. Dann aber fiel mir der Tag ein, an dem sie von der Schlange gebissen worden war. Vielleicht lag das daran, dass das ganz in der Nähe passiert war.
    ›Am besten erzählst du mir, wer er ist‹, meinte ich. ›Er könnte dir wenigstens helfen.‹
    ›Das glaube ich nicht, Vater‹, antwortete sie. Sie wollte mir den Namen des Kindsvaters nicht verraten, aber nachdem ich eine Weile auf sie eingeredet

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