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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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auch Albion Park ohne großen Aufwand in ein Hotel verwandeln lassen. Der Speisesaal war elegant eingerichtet. Und obwohl es Dottie einige Überredungskunst gekostet hatte, war Peter Pride schließlich einverstanden gewesen, heute mit ihr zu Abend zu essen. Abgesehen davon, dass sie seine Gegenwart genoss, wollte sie noch einiges mit ihm besprechen. In den letzten drei Tagen hatte sie fast ein Dutzend Leute interviewt: Historiker, Mitarbeiter des Amts für Forstwirtschaft, die Besitzer des Buchladens Nova Foresta, der jeden jemals über den New Forest erschienenen Titel führte, Bauern, Forstaufseher, andere Einwohner – jeder von ihnen hatte seine eigene Meinung über den New Forest. Nun musste sie die Interviews sortieren und entscheiden, wie sie an die Sache herangehen wollte.
    Zuerst plauderten sie über allgemeine Dinge. Sie stellten fest, dass sie einen ähnlichen Musikgeschmack hatten. Und Dottie war nicht verwundert, dass Peter ein guter Schachspieler war. Sie persönlich zog Kartenspiele vor, doch das war nicht weiter wichtig. Sport? Wandern natürlich. Er lächelte.
    »Selbstverständlich gehen Sie gerne zu Fuß. Sie sind eine Pride.«
    Wie sie sich einig waren, musste es nicht unbedingt viel zu bedeuten haben, dass eine Dorothy Pride den New Forest verlassen und eine andere in London gelebt hatte.
    »Wenn sie geheiratet hätte«, erklärte Dottie, »würden wir die Namen ihrer Eltern wenigstens von der Heiratsurkunde kennen. Aber sie ist ledig geblieben.«
    »Schon gut.« Er lächelte sie charmant an. »Vielleicht adoptieren wir Sie.« Sie fand diese Bemerkung sehr nett.
    Peter war gerne bereit, Dotties Fragen zu beantworten. Ihre erste war, warum alle das Amt für Forstwirtschaft hassten.
    »Eigentlich aus Gewohnheit. Vergessen Sie nicht, dass es die alte Waldbehörde abgelöst hat, und die war der natürliche Feind der Bauern.«
    Würden überall im New Forest hässliche Nadelbaumkolonien wie Grockletons Einhegung entstehen?
    »Nein. Nachdem zehn Jahre lang nur Nadelbäume gepflanzt wurden, ist das Amt für Forstwirtschaft heute auf eine Mischung aus Laub- und Nadelgehölzen umgestiegen. Es ist ein recht kreativer Umgang mit der Ökologie.« Er schmunzelte. »Aber niemand ist vollkommen.«
    Als sie ihn auf den Umweltschutz im Allgemeinen ansprach, begannen seine Augen zu funkeln. Offenbar hatte sie sein Lieblingsthema getroffen.
    »Warum hat der New Forest denn eine so große ökologische Bedeutung?«, fragte er aufgeregt. »Warum gibt es dort so viel mehr Insekten und Käfer als in jedem anderen europäischen Biotop? Weshalb haben wir hier all diese wundervollen Sümpfe? Und so viele Ökotope – das ist das fruchtbare Gebiet, wo sich zwei Lebensräume treffen und wo die größte Artenvielfalt auftritt?« Er sah sie an. »Also warum?«
    »Das müssen Sie mir schon erklären.« Sie lächelte.
    »Weil ein normannischer König dieses Gebiet vor neun Jahrhunderten zu einem Wildreservat gemacht hat. Der Geschichte haben wir es zu verdanken, dass die Wälder in ihrem natürlichen Zustand belassen wurden und dass man die Sümpfe nicht trockengelegt hat. Ökologie ist Geschichte.«
    Triumphierend sah er sie an.
    »Nur dass im New Forest ideale Zustände herrschen würden, wenn es den Menschen nie gegeben hätte.«
    »Das stimmt nicht. Der Mensch ist ein Teil der Natur. Überlegen Sie mal. Warum wachsen im New Forest so wenige bodendeckende Pflanzen? Weil die Ponys und Hirsche alles auffressen. Wollen Sie die etwa abschaffen? Wahrscheinlich lebten sie schon lange vor dem Menschen in dieser Gegend. So etwas wie ein vollkommenes System gibt es ohnehin nicht. Nur Systeme, in denen Gleichgewicht herrscht. Eine Eiche kann etwa vierhundert Jahre alt werden. Die menschliche Lebenserwartung ist einfach zu kurz. Deshalb verstehen wir so vieles falsch und begreifen die natürlichen Abläufe meistens nicht.«
    »Wie würden Sie die Probleme des New Forest lösen?«
    »Ich würde nach einem Gleichgewicht suchen. Aber ich weiß, dass die Natur ein besseres finden wird.« Er blickte ihr in die Augen. »Ich glaube, darum geht es im Leben. Meinen Sie nicht?«
    Dottie Pride schwieg eine Weile.
    »Kommen Sie am Sonntag nach Beaulieu?«, fragte sie dann.
    Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust, mit Mrs. Totton Tee zu trinken. In den letzten Tagen hatte sie viel Stoff zum Nachdenken erhalten. Und nun wollte sie ihre Notizen durchgehen und planen. Den ganzen Morgen hatte sie sich schon damit beschäftigt, und sie war gut

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