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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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nicht?«
    »Da ihn diese Kirchenangelegenheit beschäftigt. Ich zweifle nicht an seiner Treue zum Orden…«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Doch wenn ein junger Novize die Charta Caritatis liest und ihn fragt…« Er stockte. »Möglicherweise fiele es Bruder Adam schwer, ihm zu erklären…« Er hielt inne und fügte bedeutungsschwer hinzu: »Das brächte mich in eine sehr schwierige Lage. Ich glaube nicht, dass ich fähig wäre…«
    Der Abt sah ihn an. Er ließ sich von Grockleton nicht täuschen, denn er konnte sich bildlich vorstellen, dass der Prior alles daransetzen würde, Bruder Adam in einem solchen Fall bloßzustellen. Andererseits war nicht von der Hand zu weisen, dass der Einwand des Priors ein Körnchen Wahrheit enthielt. »Was schlägst du also vor?«, entgegnete er deshalb kühl.
    »Bruder Matthew ist noch ziemlich mitgenommen. Doch er wäre als Novizenmeister sehr gut geeignet. Warum soll Bruder Adam nicht die Güter beaufsichtigen? Die Zeit der Kontemplation hat ihm gewiss die nötige Kraft für diese Aufgabe verliehen.«
    Ein schlauer Fuchs, dachte der Abt. Die letzte Bemerkung war ein Seitenhieb gegen ihn gewesen, weil er Bruder Adam mit leichteren Arbeiten betraut hatte. Die Botschaft war klar: Ich bin dein Stellvertreter, und ich habe eine vernünftige Bitte an dich. Wenn du deinem Liebling keine unangenehme Aufgabe zuteilst, werde ich ihm das Leben schwer machen.
    Und dann schoss dem Abt ein unwürdiger Gedanke durch den Kopf: Schließlich ertrage ich ja auch tagaus, tagein den Prior, also wird Adam es schon für eine Weile auf den Gütern aushalten. Er lächelte Grockleton zuckersüß an. »Du hast Recht, Johann. Und falls Adam, wie ich vermute, eines Tages Abt wird, ein reformerischer Abt vielleicht, wird diese Erfahrung für ihn sehr nützlich sein.« Er genoss es zuzusehen, wie Grockleton zusammenzuckte .
    Und so wurde Bruder Adam die Aufsicht über die Güter übertragen, bevor der Abt am Ende des Jahres zu seiner Reise aufbrach.
     
     
    An einem kalten Dezembernachmittag eilte Maria nach Beaulieu.
    Ein eisiger Wind blies ihr in den Rücken und schob sie den schmalen Pfad entlang, und das Heidekraut kratzte an ihren Beinen. Am Himmel ballten sich die Wolken zusammen, die leicht orangefarben schimmerten.
    Maria hatte sich widerwillig und nur ihrem Mann zuliebe auf den Weg gemacht.
    Für gewöhnlich arbeitete Tom im Winter nicht für die Abtei. Doch in diesem Jahr hatten die Mönche einen besonderen Auftrag für ihn: Sie brauchten einen Wagen.
    Eigentlich war Tom kein Schreiner, und es kostete einige Überredungskunst, ihn dazu zu bewegen, im Haus etwas in Ordnung zu bringen. Doch aus irgendeinem Grund war es schon von jeher seine Lieblingsbeschäftigung, Wagen zu bauen. Ein Wagen aus der Werkstatt von Tom Furzey war ein stabiles Gefährt mit einem soliden Boden und abnehmbaren Seitenteilen. Sämtliche Verstrebungen waren sorgfältig miteinander verzapft. Alle seine Wagen sahen gleich aus, und sie würden halten bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Allerdings ließ er von Rädern grundsätzlich die Finger. »Das ist die Aufgabe des Stellmachers«, pflegte er zu sagen. »Ich baue den Wagen, er sorgt dafür, dass er auch fährt. So sehe ich die Sache.« Und nichts konnte ihn von dieser Überzeugung abbringen.
    Als sein Verhältnis zu John Pride noch nicht getrübt gewesen war, hatte er ihm gestanden, er fertige nicht gerne Räder an, weil sie rund waren. »Wenn sie viereckig wären, würdest du es tun, was, Tom?«, hatte der Schwager ihn gehänselt.
    Und zu Prides Erheiterung hatte Tom geantwortet: »Wahrscheinlich schon.«
    Also war Tom losgezogen, um für die Mönche einen Wagen zu bauen. Die Arbeit würde mindestens sechs Wochen in Anspruch nehmen, und er übernachtete während dieser Zeit auf dem Gut St. Leonards. Alle paar Tage stattete Maria ihm dort einen Besuch ab. Heute hatte sie versprochen, ihm Kuchen mitzubringen, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Denn sie freute sich über seine Abwesenheit, erstens wegen Toms Launenhaftigkeit und zweitens wegen Luke.
    Seit einer Woche versteckte er sich nun schon bei ihr.
    Luke, der verträumte Sonderling, schien fast Gefallen daran zu finden, draußen im New Forest zu leben. Als das Wetter kälter wurde, hatte er sich einen warmen Unterschlupf gebastelt. »Ich bin eben ein Waldtier«, hatte er zufrieden zu seiner Schwester gesagt. Außerdem behauptete er, selbst für seine Ernährung sorgen zu können. »Sogar die Hirsche werden im

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