Der Wald der Könige
versteckte.
Tom war enttäuscht, doch er ließ noch nicht locker. »Er war aber da«, beharrte er, und als er die ungläubigen Gesichter bemerkte, schimpfte er: »Wo, denkt Ihr, ist John Pride jetzt? Er hält Euch zum Narren und versteckt seinen Bruder anderswo.« Die Männer wollten aufbrechen, aber Tom gab nicht auf. »Und seht Euch dieses Pony an«, jammerte er. »Was wollt Ihr deswegen unternehmen?« Das Fohlen, das in einer Ecke angebunden war, blickte ihn aus ängstlich aufgerissenen Augen an. »Dieses Pony ist gestohlen. Es gehört mir!«
Doch der Suchtrupp hatte den Stall bereits verlassen. Toms Traum zerplatzte wie eine Seifenblase. Er war so sicher gewesen, dass sie Luke finden, Pride abführen und ihm, Tom, sein Pony zurückgeben würden. Also rannte er ihnen nach. »Ihr begreift es nicht!«, rief er. »Diese Prides sind alle gleich. Eine Verbrecherbande.«
Zwei der Männer fingen an zu kichern, und einer von ihnen fragte: »Schließt das auch deine Frau ein, Tom?« Selbst Alban hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Dem königlichen Beauftragten, der aufgemerkt hatte, erklärte er, dass der Flüchtige auch ein Bruder von Toms Frau war.
»Gott steh uns bei!«, meinte der königliche Beauftragte gereizt. »So geht es immer im New Forest.« Dann wandte er sich an Tom und polterte: »Du vergeudest hier unsere Zeit. Woher zum Teufel soll ich wissen, dass du ihn nicht selbst versteckt hast? Wahrscheinlich bist du der größte Verbrecher von allen. Wo wohnt dieser Mensch?« Seine Begleiter beantworteten die Frage. »Durchsucht sofort seine Hütte.«
»Aber…« Tom konnte nicht fassen, wie rasch das Blatt sich gewendet hatte. »Was ist mit meinem Pony?«, jammerte er.
»Zum Teufel mit deinem Pony!«, fluchte der königliche Beauftragte und preschte auf Toms Hütte zu.
Auch dort fanden sie nichts; dafür hatte Mary schon gesorgt. Doch wenig später nahmen die Hunde zwischen den nahe gelegenen Bäumen Lukes Witterung auf und folgten der Spur viele Kilometer lang.
Je weiter sie ritten, desto gewundener wurde der Weg. Er umrundete Lyndhurst in einem großen Bogen und schien dann endlos weiter zu führen.
Niemand hatte vor einigen Stunden den einsam auf seinem Pony dahinreitenden Puckle bemerkt; er schleppte das Bündel Kleider hinter sich her, das Mary für ihren Bruder beschafft hatte.
»Verdammte Zeitverschwendung«, sagte der königliche Beauftragte zu Alban. »Wahrscheinlich hatte dieser Trottel heute Vormittag doch Recht. Die Prides verstecken ihn.«
»Vielleicht«, erwiderte Alban schmunzelnd. »Doch im New Forest kommt alles irgendwann ans Licht.«
Als der Abt eines Novembermorgens Bruder Adam zu sich rief, war dieser gut vorbereitet. Schon vor einem Monat hatte er den Auftrag des Abtes erfüllt. Obwohl die Angelegenheit weltlicher und politischer Natur war, hatte ihm die lange Zeit, die er mit Nachdenken und Lesen verbracht hatte, Stärke und Gewissheit gebracht. Er war jetzt mit sich im Reinen.
Zu seiner Freude war es wieder still in der Abtei geworden. Am Sankt-Martins-Tag im November hatten die Forstaufseher den Zwischenfall auf dem Gut vom Grafschaftsgericht des New Forest an ein höheres Gericht weitergeleitet. Dieses würde nach Gutdünken der königlichen Reiserichter tagen, wenn diese im kommenden Frühjahr den New Forest besuchten. Der junge Martell und seine Freunde waren so klug gewesen, sich den Sheriffs ihrer Grafschaften zu stellen. Sie sollten im Frühjahr dem Richter vorgeführt werden. Der Laienbruder Luke war indes noch nicht aufgespürt worden. Bruder Matthew war sogar bereit, ihm zu verzeihen, aber der Abt wollte nichts davon hören.
»Um unseres guten Namens willen muss der Gerechtigkeit Genüge getan werden.«
Auf dem Weg zum Haus des Abts betrachtete Bruder Adam voll Freude seine Umgebung. Abgesehen von der Glocke, die die Mönche alle drei Stunden mit grellem Geläut zum Gebet rief, ging es im Kloster zwar geschäftig, aber leise zu. Es gab eine Weberei und eine Schneiderei und eine Walkmühle am Flussufer, wo die gewaltigen Wollmengen gereinigt wurden, die die Güter abwarfen. Einige Werkstätten verarbeiteten das Leder von Rindern und Schafen. Die Gerberei hatte man wegen ihres Geruchs außerhalb der Klostermauern untergebracht. Die Abtei verfügte auch über eine Lederwerkstatt, die Kapuzen und Decken herstellte, und eine Schusterwerkstatt. Der Schuster hatte alle Hände voll zu tun, denn jeder Mönch und jeder Laienbruder benötigte im Jahr zwei Paar
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