Der Wald der Könige
abgeschreckt. Also blieb sie vor ihm stehen und ließ das einfachste Mittel von allen auf ihn wirken: die Wärme ihres Körpers. Und Bruder Adam spürte sie – wie hätte es auch anders sein können? –, diese unverkennbare Hitze, die von ihr zu ihm hinüberstrahlte. Dann lächelte sie, und er wandte sich verwirrt ab.
Warum hatte sie es getan? Schließlich war sie eine anständige Frau und machte anderen Männern keine schönen Augen. Diese Frage hätte sie wohl selbst nicht beantworten können; es kam ganz von innen heraus. Durch ein Gefühl der Vertrautheit und Nähe wollte sie ihn – so sehr es ihn auch erschrecken mochte – von seinem eigentlichen Ziel ablenken. Sie musste den Mönch auf eine falsche Fährte locken, um ihren kleinen Bruder zu schützen.
Kurz darauf verließ Bruder Adam die Scheune.
Der Sturm wütete mit unverminderter Heftigkeit weiter. Das Kohlebecken wurde für die zweite Nacht eingeheizt. Wieder rief Bruder Adam nach dem Abendessen alle zum Gebet zusammen. Doch einige Stunden später, als Maria mit ihrem Mann allein war und nur noch der schwache Schimmer der Holzkohle die Scheune erhellte, wälzte Tom Furzey seinen gedrungenen Körper auf sie. Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen schloss sie die Augen und dachte insgeheim an Bruder Adam.
Tief in der Nacht, etwa zu der Zeit, wenn sonst der Gottesdienst stattfand, erwachte Bruder Adam aus einem unruhigen Schlaf. Er bemerkte, dass das Heulen des Windes draußen aufgehört hatte. Es war still auf dem Gut.
Er erhob sich von der Bank, auf der er genächtigt hatte, und flüsterte leise die Psalmen und Gebete vor sich hin. Immer noch nicht zufrieden, murmelte er danach noch das Vaterunser: Pater Noster, qui es in coelis – Vater unser, der du bist im Himmel…
Amen. Es war Nacht. Die Zeit, in der er die lautlose Stimme aus Gottes Universum hören konnte. Warum war er also so beunruhigt? Erneut stand er auf und wäre am liebsten im Zimmer auf und ab gelaufen. Doch damit hätte er die Laienbrüder geweckt. Also legte er sich wieder hin.
Die Frau. Gewiss lag sie mit ihrem Mann schlafend in der Scheune. Wahrscheinlich war sie auf ihre Art eine gute Frau. Wie alle Bauersfrauen hatte sie leicht gerötete Wangen und roch ein wenig nach Stall. Er schloss die Augen. Ihre Wärme. Noch nie zuvor hatte er so etwas empfunden. Er versuchte zu schlafen. Dieser Furzey. Hatte er sie in dieser Nacht in der Scheune geliebt? Vielleicht taten sie es ja gerade, während er hier in der Stille lag. Genoss der Bauer gerade ihre Wärme?
Bruder Adam schlug die Augen auf. Mein Gott, was dachte er denn da? Und warum? Aus welchem Grund grübelte er über diese Frau nach? Dann seufzte er. Er hätte es eigentlich wissen müssen. Es war nur der Teufel, der ihm wieder einmal einen Streich spielen wollte, um seinen Glauben auf die Probe zu stellen. Diesmal hatte er sich etwas Neues einfallen lassen.
Steckte der Teufel in dieser Bäuerin? Natürlich. Denn alle Frauen waren Geschöpfe des Teufels. Vielleicht hätte er strenger mit ihr sein müssen, als sie an diesem Nachmittag vor ihm gestanden hatte. Aber eigentlich benutzte der Teufel sie ja nur. Er nahm ihre Gestalt an, um ihn zu verwirren. Wieder schloss er die Augen. Er konnte nicht einschlafen.
Der nächste Morgen war strahlend schön. Der Sturm hatte sich gelegt. Die Luft war ruhig, der Himmel leuchtend blau. Beaulieu, die Abtei, die Felder, die Güter, sie alle waren mit einem weichen, weißen Mantel bedeckt.
Als Bruder Adam aus dem Haus trat, erkannte er an den Fußspuren vor der Scheune, dass die Frau schon fort war. Es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, das Bild, wie sie allein über die funkelnde Heide ging, aus seinen Gedanken zu vertreiben.
Ende Februar verschwand Luke. Maria wusste nicht, ob sie erleichtert oder traurig sein sollte.
Sobald der Schnee im späten Januar schmolz, hatte er sich angewöhnt, im Morgengrauen fortzugehen und erst nach Einbruch der Dunkelheit wiederzukommen. Ihre größte Angst war, er könnte im Raureif verräterische Spuren hinterlassen, aber das wusste er stets zu vermeiden. Jeden Tag brachte sie ihm etwas zu essen auf den Heuboden, wo er übernachtete. Den ganzen Januar lang arbeitete Tom in St. Leonards. Maria schlich sich aus dem Haus, wenn die Kinder schliefen, und dann saßen sie zusammen und redeten, wie damals, als sie selbst noch Kinder gewesen waren.
Manchmal sprachen sie über seine Zukunftspläne. Das Grafschaftsgericht des New
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