Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Gesetz«, ermahnte sie ihn.
    Aber Pride arbeitete wortlos weiter. »Diesen Weg werden sie schon nicht nehmen«, meinte er schließlich. »Nicht heute.«
    Der süße Duft nach Gras lag in der Luft. Nach ein paar Minuten kam Prides Sohn, der noch ein kleiner Junge war, um seinem Vater bei der Arbeit zuzusehen.
    »Ich höre etwas«, sagte die Frau.
    Pride hielt lauschend inne und sah sie ernst an. »Nein, das ist nicht wahr«, erwiderte er.
    Der Weiler Oakley bestand aus einer Ansammlung strohgedeckter Katen und Häuser neben einer kurz geschorenen Moorwiese, auf der drei Kühe und ein paar Ponys weideten. Jenseits der Wiese lag ein flacher Tümpel, dessen Oberfläche zurzeit von einem Gewirr winziger, weißer Blüten bedeckt wurde. Zwei kleine Eichen, eine Esche, ein paar Brombeerbüsche und Stechginster ragten über das Wasser. Gleich hinter dem Weiler begann ein steil abfallender Hohlweg, der an einen kleinen Fluss führte. Am östlichen Ende des Weilers stand, ein wenig abseits, das Haus von Godwin Pride.
    Er war nun wieder über seine Arbeit gebeugt, doch als er sich aufgerichtet hatte, um seiner Frau zu antworten, war sein stattlicher Körperbau unverkennbar gewesen. Pride war hoch gewachsen und hatte dichte, kastanienbraune Locken, die ihm bis auf die Schultern fielen. Er trug einen Vollbart und hatte eine Adlernase und funkelnde braune Augen. All dies waren Hinweise darauf, dass er, wie so viele Bewohner des Waldes, wenigstens zum Teil ein Kelte war, auch wenn sein Name kaum angelsächsischer hätte sein können.
    In der Zeit, da König Rufus herrschte, war es ungewöhnlich, dass ein Mann, insbesondere ein Bauer, einen Familiennamen trug. Doch im New Forest gab es einige Vettern, die sich Pride nannten – Pryde, was auf Altenglisch weniger Stolz bedeutete, als vielmehr Wissen um den Wert der eigenen Person und einen unabhängigen Geist. Wie Cola, der angelsächsische Adelige, durchreisenden Normannen zu raten pflegte: »Es ist leichter, diese Leute um etwas zu bitten, als ihnen etwas zu befehlen. Sie lassen sich einfach nichts sagen.«
    Vielleicht lag es daran, dass der mächtige Eroberer den Bewohnern bei der Einrichtung des New Forest einige Zugeständnisse gemacht hatte. Da es sich bei vielen Gütern im Wald bereits um königliche Besitzungen handelte, bestand nicht die Notwendigkeit, jemanden zu vertreiben. Einige davon übernahm Wilhelm, doch viele Adelige verloren nur ihre Wälder und Heiden an den New Forest des Königs. Manche angelsächsische Adelige, so wie Cola, behielten sogar ihre Posten, solange sie sich nützlich machten. Und Cola hatte sich, auch wenn es ihn Überwindung gekostet hatte, für den Weg des geringsten Widerstandes entschieden. Andere Grundherren hingegen mussten, wie die sächsischen Adeligen überall in England, ihre Ländereien abtreten. Ähnlich erging es einigen Bauern, die entweder in andere Weiler zogen oder wie Puckle im Wald lebten. Doch jeder, der in der Gegend blieb, erhielt eine Entschädigung.
    Allerdings waren die normannischen Forst- und Jagdgesetze sehr streng. Es gab zwei Kategorien von Straftaten, die vert und venison hießen. Vert untersagte den Waldfrevel und das Fällen von Bäumen, es verbot das Errichten von Einfriedungen und auch sonst alles, was die Lebensbedingungen der königlichen Hirsche beeinträchtigen konnte. Venison stellte die Wilderei, besonders das Erlegen von Hirschen, unter Strafe. Unter Wilhelm dem Eroberer wurden Wilderer geblendet. Rufus ging sogar noch einen Schritt weiter: Ein Bauer, der einen Hirschbock schoss, wurde hingerichtet. Verständlicherweise waren diese Gesetze bei der Bevölkerung verhasst.
    Jedoch verfügten die Waldbewohner auch weiterhin über ihre alten Gewohnheitsrechte, die der Eroberer zum Großteil nicht angetastet und in manchen Bereichen sogar erweitert hatte. In Prides Weiler war zum Beispiel ein Stück Land neben seinem Haus als Teil des New Forest ausgewiesen worden und fiel deshalb unter das Jagd- und Forstgesetz, was Pride natürlich als Einschränkung empfand. Aber er hatte – abgesehen von gewissen Sperrzeiten im Jahr – die Erlaubnis, so viele Ponys und Rinder, wie ihm beliebte, im New Forest des Königs grasen zu lassen. Im Herbst konnten sich seine Schweine an einer reichen Ernte frischer Eicheln gütlich tun. Außerdem hatte er das Recht, Torf für sein Feuer zu stechen, das stets reichlich vorhandene Bruchholz zu sammeln und Farne als Lagerstatt für sein Vieh abzumähen.
    Dem Recht nach war Godwin Pride

Weitere Kostenlose Bücher