Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
beigeben. Doch von nun an würde sie ihn verachten. Das war ihre Rache.
    »Es wird klappen«, meinte sie leise.
    Als die Sonne unterging, war der junge John Pride sehr mit sich zufrieden. Natürlich hatte er schon tausendmal die Hühner und Schweine gefüttert, den Kuhstall ausgemistet und auch sonst alle anfallenden Arbeiten erledigt. Doch noch nie zuvor hatte man ihm für einen ganzen Tag die volle Verantwortung übertragen, weshalb er verständlicherweise aufgeregt gewesen war. Nun musste er nur noch das Pony vom Feld holen.
    Er hatte gut auf das Pony aufgepasst, wie sein Vater es ihm aufgetragen hatte. Den ganzen Tag lang hatte er es nicht aus den Augen gelassen. Und um wirklich sicherzugehen, wollte er in dieser Nacht im Stall schlafen.
    Da hallte ein Kinderschrei aus nächster Nähe durch die Abendluft. Tom Furzeys Schwester wohnte gleich auf der anderen Seite des Dorfangers. Seit dem Streit um das Pony wechselten sie und John Pride kaum noch ein Wort miteinander, doch die Kinder spielten an den meisten Tagen zusammen. Daran konnte der Zwist der Erwachsenen auch nichts ändern. Offenbar hatte Harry geschrien, ein Junge in Johns Alter.
    »Hilfe!«
    John rannte vom Hof und über den Dorfanger und umrundete den Teich, wo sich ihm ein erschreckender Anblick bot. Harrys Mutter lag bäuchlings auf dem Boden. Anscheinend war sie am Tor ausgerutscht und hatte sich den Kopf an einem Pfosten angeschlagen. Sie regte sich nicht. Harry versuchte vergeblich, sie aufzuheben. Gleichzeitig mit John erreichten auch ihr Mann und Tom Furzey den Unglücksort. Die Kinder kamen ebenfalls aus dem Haus gelaufen.
    Tom bemühte sich aufopferungsvoll um seine Schwester, fühlte ihr am Hals den Puls, drehte sie herum und untersuchte sie. »Sie ist nicht tot. Wahrscheinlich hat sie sich nur am Kopf verletzt. Ihr Jungen« – er nickte John rasch zu – »nehmt ihre Beine.« Nachdem er und sein Schwager je einen Arm gepackt hatten, trugen sie die Frau ins Haus. »Ihr verschwindet jetzt«, wies Tom die Kinder an und tätschelte seiner Schwester sanft die Wange.
    John wartete noch ein paar Minuten. Ein weiterer Nachbar tauchte auf. Doch das Haus der Prides lag verlassen da.
    Kurz darauf trat Tom lächelnd aus dem Haus. »Sie kommt wieder zu sich. Kein Grund zur Sorge.« Mit diesen Worten ging er wieder hinein.
    Nach einer Weile beschloss John, dass er nun auch nach Hause gehen konnte. Er marschierte um den Teich herum und über den kleinen Hof. Als er in den Pferch blickte, konnte er das Pony nirgendwo entdecken. Stirnrunzelnd sah er noch einmal hin. Und dann traf den jungen John Pride zu seinem Entsetzen die schreckliche Erkenntnis: Der Pferch war leer. Das Pony war fort.
    Doch wie konnte es entkommen sein? Das Tor war geschlossen. Ein Erdwall und ein Zaun verliefen um das Feld, und das Tier hätte sie unmöglich überspringen können. John stürzte zum Schuppen: nichts. Kopflos suchte er den Dorfanger ab. Unterwegs begegnete er Harry, der ihn fragte, was geschehen sei. »Das Pony ist weg!«, rief John.
    »Hier war es nicht«, erwiderte der Junge. »Ich helfe dir suchen.« Zusammen rannten sie zum Haus der Prides zurück. »Schauen wir auf der Heide nach«, schlug er vor. Also machten sie sich auf den Weg zur Heide von Beaulieu.
    Inzwischen ging die Sonne unter. Das Heidekraut schimmerte rötlich, und die Ginsterbüsche warfen dunkle Schatten. Hie und da konnten sie einige Ponys entdecken. Der junge Pride war verzweifelt.
    Dann versetzte ihm sein Freund einen Rippenstoß und zeigte mit dem Finger auf ein Tier. »Schau!« Es war das Pony, da war John ganz sicher. Es stand an einer Ginsterböschung, fast einen Kilometer entfernt. Die beiden Jungen rannten darauf zu. Doch das Tier schien sie gesehen zu haben, preschte los und verschwand hinter einer Bodenwelle.
    Harry blieb stehen. »So kriegen wir es nie«, keuchte er. »Wir reiten ihm besser nach. Du nimmst mein Pony und ich das von meinem Vater. Komm.«
    Sie eilten zurück. Der junge Pride war so aufgebracht, dass er sich nicht einmal die Zeit nahm, das Tier zu satteln. Und kurz darauf galoppierten die beiden Jungen im roten Schein der untergehenden Sonne davon.
    »Wahrscheinlich werden sie die ganze Nacht unterwegs sein«, kicherte Tom.
     
     
    Sein ausgeklügelter Plan war aufgegangen.
    Kurz nach Dunkelwerden führte Mary das Pony durch den Wald hinter dem Haus, und Tom sperrte es in die kleine Scheune. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, betrachteten sie das Tier im Licht

Weitere Kostenlose Bücher