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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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einen mit Mülleimern übersäten Hof sah. Erinnerungen an das Museum der Wyfies tauchten in seinem Kopf auf, und als der Mann von TecSec eine Kellertür aufstieß, wäre er nicht überrascht gewesen, das Krachen von Granaten und das Gestotter von Maschinengewehrfeuer die dunkle Treppe hochwehen zu hören. Als er unten war, umringte ihn die Vergangenheit in anderer Gestalt, als Hecke rostiger Aktenschränke mit einem Mantel aus Staub, Zerfall und Spinnweben und von einer einzigen Birne an der niedrigen Decke beleuchtet.
    Er atmete tief durch in der naßkalten Luft, um den Anfall von Klaustrophobie abzuwehren, den er kommen fühlte. Patten hatte ihm versprochen, sich zu melden, sobald Batty zur Verfügung stand. Er hoffte verdammt noch mal, daß es nicht lange dauern würde.
    Er zog irgendeine beliebige Schublade auf und starrte auf einen Haufen Papierschnitzel. Der Schrank war so verrostet, daß Mäuse, oder schlimmer noch, Ratten, sich durch das Metall hindurchgefressen und nach Herzenslust an dem Papier gütlich getan hatten. Er wandte sich einem anderen Schrank zu. Nun ja, dachte er, ich habe es wenigstens versucht. Noch einer, und dann halten mich hier keine zehn Gäule mehr.
    Doch der dritte hatte leider dem Zahn der Zeit und den Zähnen der Ratten widerstanden, und die Ordner waren vollständig vorhanden. Er machte einen auf und las:
Major Quinnel David Andrew. Aufgenommen 30. August 1916.
    Da kriegt selbst Jesus das Heulen! dachte er. Führte denn alles, was er anfaßte, zu diesem verdammten Krieg?
    Er las weiter. Es waren Krankenblätter. Der Major hatte bei einer Granatenexplosion in der Nähe von Albert schwere Verwundungen an den Beinen davongetragen. Man hatte ihn erst in einem Lazarett behandelt, dann in ein Krankenhaus bei Boulogne verlegt, wo er erst einmal operiert wurde, dann war er nach London zurückgekehrt, um in Charing Cross weitere Operationen über sich ergehen zu lassen, bis man ihn schließlich zur Rehabilitation und Genesung nach Yorkshire geschickt hatte.
    Alle anderen Unterlagen betrafen ebenfalls verwundete Offiziere, und noch bevor er die ältesten Akten öffnete, hatte Pascoe durchschaut, wie die Dinge lagen.
    Zu den zahlreichen Bereichen, für die man im Ersten Weltkrieg nicht gerüstet war, gehörte der medizinische. Es hatte zwar so mancher Prophet Jeremias seine Stimme erhoben, aber niemand hatte vorhergesehen, welche Flutwellen an Verwundeten das Land vier lange Jahre überrollen würden. Die Oberschicht aller Grafschaften hatte erkannt, wo ihre vaterländische Pflicht lag, und ihren zweiten, manchmal auch dritten Wohnsitz – seltener den vierten – als Krankenhaus, Klinik oder Erholungsheim auf Zeit zur Verfügung gestellt. Und es war nicht bei den oberen Zehntausend geblieben. Im 19. Jahrhundert war eine neue, mächtige Kaste herangewachsen, die Industriekapitäne, die ihre Vorbilder bereits durch den Kauf oder Bau eigener Landsitze imitiert hatte und nun weder lange brauchte noch sich lumpen ließ, dem neuen Beispiel aristokratischen Verhaltens zu folgen.
    Eine edle Kunst, die sie jedoch noch nicht gelernt hatten, weil sie aus Selbstsicherheit entsteht und nicht aus dem Streben nach oben, war, daß man Gutes im verborgenen tut. Die gesamte Korrespondenz der Umwandlung von Wanwood House in ein Krankenhaus für verwundete Offiziere entbehrte folglich nicht verhaltener Anspielungen auf die Großzügigkeit seines Eigentümers.
    »Ich glaub, ich werd nicht mehr«, sagte Peter Pascoe, als er dessen Namen las.
    »Das will ich aber nicht hoffen, Chief Inspector«, sagte eine Stimme von der Tür her.
    Erschreckt drehte Pascoe sich um und sah sich dem lächelnden Gesicht Dr. Battys gegenüber.
    »Man hat mir gesagt, daß ich Sie hier unten finde«, sagte der Doktor. »Also habe ich mich auf den Weg nach unten gemacht, um herauszufinden, ob ich Ihnen helfen kann.«
    »Ich glaube kaum, es sei denn, Sie waren supereffizient und haben all diese Akten auf Datenträger gespeichert.«
    »Tut mir leid, die haben nichts mit uns zu tun. Schon seit wir hier eingezogen sind, will ich die Keller entrümpeln lassen. Wir könnten den Platz gut brauchen. Was wollen Sie hier überhaupt finden? Berichte über einen verlustig gegangenen Patienten, der sich auf den Weg gemacht haben könnte und dann im Wald ins Gras gebissen hat?«
    »Etwas in der Richtung. Aber ich glaube, das sollte jemand machen, dem das mehr liegt und der zudem weniger Angst vor dunklen Kellerlöchern hat.«
    Er schob die

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