Der Wald des Vergessens
Man sollte meinen, daß ausgerechnet ein Arzt wissen sollte, wie gefährlich es sein konnte, wenn man ein Hinterteil unterschätzte.
»David, das ist alles sehr interessant, aber die Tatsache, daß Ihr Urgroßvater mit allen Wassern gewaschen war, scheint für meine Ermittlungen kaum von Belang zu sein. Wenn Sie natürlich damit sagen wollen, daß ALBA irgendwie etwas gekauft hat, was der Firma in Wirklichkeit schon gehörte, dann könnte das für die Steuerfahndung von Interesse sein …«
»Ich dachte, ich hätte das deutlich gemacht. Gehört hat Wanwood ALBA nicht, es gehörte dieser anderen Gesellschaft. Es trifft zu, daß Arthurs Aktien an … meine Mutter gingen. Und als die Firma, ALBA , auf den Gedanken kam, daß Wanwood ein idealer Standort für ihre Forschung sei, war es eine Kleinigkeit, die Klinik, die schon lange den Bach hinunterging, zu liquidieren. Es war alles völlig legal. Sie haben die Unterlagen selbst eingesehen.«
Pascoe hatte die merkwürdige kleine Pause wahrgenommen, als Batty davon sprach, daß seine Mutter nun den Hauptanteil besaß, konnte aber nichts damit anfangen. Vielleicht lag da die schwächste Stelle der Manipulation. Nicht, daß er glaubte, es bestehe auch nur die geringste Chance, etwas Illegales nachzuweisen. Und es waren Peanuts verglichen mit den Milliarden, die jedes Jahr spurlos in der großen weiten Welt von Industrie und Handel verschwanden und nur Angst bei den verarmten Aktionären und Frust in den Betrugsdezernaten hinterließen. Dennoch sagte ihm sein gesunder Menschenverstand, von seiner gesunden Anständigkeit ganz zu schweigen, daß hier etwas eingefädelt worden war.
»Ja, ich habe die Unterlagen eingesehen. Aber ich habe nichts darin entdeckt, was darauf hindeutet, daß ALBA entweder etwas gekauft hat, was die Frau seines Vorstandsvorsitzenden bereits besaß, noch geholfen hat, es in Konkurs zu treiben, damit ihr Mann es leichter erwerben konnte«, sagte Peter Pascoe kalt.
»Wie sollten Sie auch? Was meinen Vater anlangt, so hat er so ziemlich dieselben Ambitionen wie der alte Arthur, und diese Leiche versteckt er gern tief im Keller. Warum er sich überhaupt Sorgen macht, weiß ich nicht. Bei dem herrschenden Klima müßte doch die Geschichte einer guten alten Schweinerei eine Empfehlung sein!«
»Schweinerei? Könnten Sie ein wenig präziser sein, ohne sich natürlich selbst zu beschuldigen.«
»Nicht übel, Peter«, sagte Dr. Batty kichernd. »Also, 1930 wurde Arthur endgültig ungeduldig. Er war der Meinung, daß er genügend deutliche und teure Anspielungen gemacht hatte. Deshalb trat er in direkte Verhandlungen über die Sache, von der er wahrhaftig glaubte, daß sie ihm mehr als zustand. Und zudem war es gang und gäbe. Leider hatte er zu lange gezögert. Ihn erwischten sowohl die Woge der Empörung als auch die Ermittlungen, die 1933 mit der Verurteilung Maundy Gregorys wegen des Verkaufs von Titeln endeten. Das war auch das Ende des guten Arthur. Er entging einer Anzeige, aber seine weiße Weste war für immer befleckt. Sie verstehen also, daß mein Vater diese alte Geschichte lieber nicht ans Licht gezerrt sehen möchte, wo er doch gerade selbst kurz davor steht, geadelt zu werden.«
Nein, dachte Peter Pascoe. Kann ich eigentlich nicht verstehen. Und ich kann auch nicht verstehen, warum ich soviel Zeit damit verbringe, hier zu sitzen und mir eine schmutzige Geschichte vom Treiben auf der kommerziellen Überholspur anzuhören.
Er sagte: »Hätten Sie etwas dagegen, wenn einer meiner Leute vorbeikäme und die Akten im Keller etwas genauer unter die Lupe nähme?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Batty. »Und wenn Sie sie nach vollbrachter Tat mitnehmen und verbrennen wollen, habe ich auch nichts dagegen. Und nun sagen Sie mir, warum Sie eigentlich zu mir gekommen sind?«
»Wegen der Akten, vermutlich«, sagte Pascoe.
»Aber Sie haben doch gar nicht gewußt, daß es sie gibt, bevor Sie hierher kamen«, sagte Dr. Batty amüsiert.
Peter Pascoe lächelte ebenfalls.
»Übersinnliche Wahrnehmung«, sagte er. »Ich bin dafür berühmt, wußten Sie das nicht?«
Fünf
E llie Pascoes Termin mit Miss Martindale war am Mittag. Sie freute sich nicht darauf. Nur wenige Menschen vermochten es, sie einzuschüchtern, und Miss Martindale stand ganz hoch oben auf der Liste.
Wenn man die Rektorin so vor sich stehen sah, war sie alles andere als schrecklich.
Mit ihren geblümten Kleidern, fast flachen Schuhen, unbestrumpften Beinen, dem schwingenden Haar
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