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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Grundsätzlich ist sie der Auffassung, daß Rosie nur in unserer Gegenwart flucht, weil sie das Gefühl hat, daß es sich dabei um eine Art Code handelt, der ihr Zutritt in das innerste Sanktum der Familie verschafft. Anders ausgedrückt, gelernt hat sie die Flucherei von uns, da wir aber nur fluchen, wenn wir unter uns sind, bildet sie sich ein, daß es zu unserer speziellen Sprache gehört.«
    »Scheiße«, sagte Pascoe.
    »Meine Antwort, auf den Punkt gebracht. Das stimmt einen nachdenklich, was?«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Wir passen auf, was wir sagen. Oder stopfen ihr Brotkügelchen in die Ohren. Ich weiß es nicht. Nur will ich sie in dieser Entwicklungsphase ganz sicher nicht damit vertraut machen, daß es so etwas wie Zensur gibt.«
    »Das ist gut. Ich geh dann auch gleich mal auf den Speicher und hol die alte Bibel runter, die du da oben versteckt hast. Ich mach nur Spaß. Fast. Bleib nicht zu lange hier, ja?«
    Er gab ihr einen Kuß. Sie erwiderte ihn fest, und er spürte ihre Zunge. Er genoß es und löste sich aus ihren Armen.
    »Eines hat Virgin Bottom [43] geschafft, bevor man ihr den Laufpaß gab, daß nämlich freie Betten im Staatlichen Gesundheitsdienst tatsächlich der Vergangenheit angehören. Wir sollten uns wirklich privat versichern.«
    Rosie begrüßte sein Auftauchen am Schultor mit einer gewissen Skepsis.
    »Warum ist Mami nicht gekommen?«
    »Du kennst doch ihre Meinung über stereotypes Verhalten«, sagte er und schwang sie hoch in die Luft.
    Daheim gab er ihr ein Sandwich mit Käse und Marmelade, ein Glas Apfelsaft mit einer Portion Tomatenpüree und ließ sie einen Zeichentrickfilm im Fernsehen anschauen, während er sich hinsetzte und das kleine Packet von Adas Anwältin öffnete.
    Darin fand er ein weiteres, sorgfältig eingewickeltes Päckchen mit seinem Namen und einem Begleitschreiben der Anwältin.
    Sehr geehrter Mr. Pascoe,
    Ihre Großmutter hat mich angewiesen, Ihnen das beigefügte Päckchen zu schicken, sobald ich von Ihnen Nachricht erhalten habe, daß ihr Wunsch hinsichtlich ihrer Asche ausgeführt wurde. Ich weiß nicht, was es enthält, außer daß es Mrs. Pascoes Familienpapiere sind, die für die Vollstreckung ihres Testaments ohne Bedeutung sind. Sollte das jedoch nicht der Fall sein oder sollten Sie Zweifel daran haben, bin ich sicher, daß Sie sich an mich wenden.
    Mit freundlichen Grüßen
    Barbara Lomax
    Er nahm einen Brieföffner, schnitt sorgfältig das Band durch, mit dem das Päckchen umklebt war, und stellte dabei belustigt fest, daß Ada ihren Namen über die wichtigsten Verbindungsstellen geschrieben hatte und es auf diese Weise mehr oder weniger unmöglich gemacht hatte, das Band unbemerkt zu entfernen.
    Wie jede Frau aus Yorkshire, die mit beiden Füßen im Leben steht, war sie offensichtlich der Meinung, daß nur Narren und Götter diejenigen in Versuchung führen, denen sie am meisten vertrauen.
    In dem Päckchen steckte ein weiterer Brief, von Ada an ihn adressiert, ein praller Plastikordner mit Unterlagen und Briefen, ein altes Schulheft und noch ein Päckchen. Letzteres war in ein Stück Ziegenleder gewickelt, so trocken, daß es riß, als er es auffalten wollte. Was auftauchte, wie aus den Resten einer sehr alten Eierschale, war ein Buch, etwa von der Größe eines Bandes der Reihe Klassiker der Weltliteratur [44] . Es hatte einen Ledereinband und war ohne Zweifel aus den Bögen eines Hefts hergestellt, die beschnitten und von einem Soldaten mit ordentlichen Stichen und geöltem Faden zusammengenäht worden waren. Die Seiten waren in einer winzigen Handschrift dicht mit Bleistift beschrieben und schon sehr verblichen. Pascoe stand auf und holte das Sherlock-Holmes-Vergrößerungsglas hervor, das er vor vielen Jahren als Scherzgeschenk zum Geburtstag bekommen hatte. Er schlug eine beliebige Seite auf …
Neujahrstag. Es schneit. Wir stöhnen alle, aber nicht zu sehr. Kälte kann der Mensch aushalten. Man redet davon, daß jemand von Zug 3 seinen linken Fuß absichtlich dem Frost ausgesetzt hat, um ein paar Zehen zu verlieren und in die Heimat geschickt zu werden. Könnte was dransein, da Befehl erteilt wurde, daß es ein Vergehen ist, sich nicht ordentlich gegen den Frost zu schützen. Demnächst ist es ein Vergehen, sich beim Nähern einer Kugel nicht zu ducken! Eines steht jedenfalls fest. Es kann so kalt werden, wie es will, aber niemand will, daß der Winter vorbeigeht. Wie der kleine Harry, der mit Wörtern umgehen kann und auch keine

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