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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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der stets zwei und zwei zusammenzählt, dürfte nicht einfach sein.«
    »Er ist nicht immer so gut im Rechnen«, sagte Ellie.
    »Was gibt es da noch?« fragte Pascoe, der sich nicht in den die Stimmung lockernden Schlagabtausch der beiden hineinziehen lassen wollte.
    Der Major sah ihn mit seinem einen glänzenden Auge an, seufzte, stand auf und trat an einen alten Schreibtisch, der dem Adas nicht unähnlich war.
    Einer Schublade entnahm er ein elegant in geprägtes Leder gebundenes Buch.
    »Das Tagebuch meines Vaters«, sagte er. »Ich habe es binden lassen, damit es nicht auseinanderfällt. Wenn ich sterbe, wird es seinen Platz hier im Museum finden, aber bis es soweit ist, … nun, es waren seine persönlichen Aufzeichnungen, und wenn sie überhaupt für die Augen anderer Menschen bestimmt waren, dann gefällt mir der Gedanke, daß es meine sind.«
    Gekonnt öffnete er das Buch mit seiner einen Hand an einer Stelle mit Fidibus.
    »Das Folgende hat er über Feldwebel Pascoes Prozeß geschrieben. Sie können es gern selbst lesen, aber ich muß Sie warnen, daß seine Schrift fast unleserlich ist, wenn man nicht an sie gewöhnt ist.«
    »Dann lesen Sie uns die Stelle doch einfach vor«, sagte Ellie.
    »Sehr gern. Könnten Sie mir meine Brille reichen?«
    Ellie nahm eine Nickelbrille vom Tisch, die neben der Whiskykaraffe lag, näherte sich dem Major und setzte sie ihm ohne zu zögern auf die Nase.
    »Danke schön, meine Liebe«, sagte er und strahlte sie wieder mit seinem charmanten Lächeln an.
    »Gern geschehen«, sagte Ellie.
    Heiliger Heiland, dachte Pascoe. Dem Herrn sei gedankt, daß der Kerl nicht zehn Jahre jünger ist!
    »Ich lasse beim Lesen das ein oder andere weg«, sagte Studholme. »Aber nichts, was von Bedeutung ist, das versichere ich Ihnen.«
    Er räusperte sich zweimal, um seine Kehle zu säubern, und begann mit dem Lesen. Er verfiel in einen altmodischen Vortragston, der viel gewichtiger als seine normale Rede war, wie jemand, der bei einem Weihnachtsgottesdienst einen Abschnitt aus der Bibel vorliest.
    »Oktober 1917. Endlich steht der Termin für Pascoes Verhandlung fest. Die Verzögerung wurde durch Grindals Abwesenheit verursacht. Geringfügige Verletzungen, deshalb hatten alle gedacht, er würde innerhalb weniger Wochen wieder zurück sein. Der Kompanieführer bekam Nachricht, man habe Neurasthenie diagnostiziert, ohne Aussicht auf schnelle Besserung, deshalb hat man beschlossen, eine schriftliche Darstellung der Vorfälle zuzulassen. Evenlode brach in Hohngelächter aus, als das Wort Neurasthenie fiel. Er nennt es Drückebergerkrämpfe. Besonders anfällig dafür seien feine Herren auf Zeit, was sich auf Grindal bezieht, weil er aus einer Familie von Geschäftsleuten kommt.«
    »Dieser Evenlode« unterbrach Ellie ihn, »war er mit den Pitt-Evenlodes verwandt?«
    »O ja. Die Namensänderung erfolgte, als sein Vetter, der Baron, das einzige Kind von Sir Chesney Pitt heiratete, der unbedingt wollte, daß sein Name fortbestand. Die Evenlodes waren der Auffassung, daß die mütterliche Seite, da niedriger im Rang, an zweiter Stelle stehen müsse, aber man erzählt sich, daß Sir Chesney sagte, wenn sich die Familie Evenlode-Pitt nennen würde, klänge das, als hätte man eine Zeche in der Familie. Der Enkel, Piers, dient derzeit im Regiment. Seine Ernennung zum Oberstleutnant wurde gerade im Anzeiger bekanntgegeben. Kennen Sie die Familie?«
    »Wir grüßen uns«, sagte Ellie, die von königlicher Herablassung sein konnte, wenn sie es darauf anlegte.
    »Evenlode war der Adjutant, stimmt’s?« sagte Pascoe, der fest entschlossen war, keine Gemütlichkeit aufkommen zu lassen.
    »Ja. Und nach dem, was mein Vater schreibt, konnte er Feldwebel Pascoe sogar noch weniger ausstehen als Oberleutnant Grindal. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, hier.
Evenlode erhob jedoch keinen Einspruch gegen die Verwendung einer schriftlichen Aussage. Er hatte die Art, wie Pascoe für seine Leute eintrat, nie gemocht. Ich erinnere mich, wie er zu dem armen alten Hurley Burley sagte, ein Infanteriezug brauche gute Unteroffiziere und keine unruhestiftenden gewerkschaftlichen Vertrauensleute. Und seit der Fritz dem Pascoe geholfen hatte, seinen Vetter zu retten, war Pascoe für Evenlode einer dieser bolschewistischen Agitatoren, die seit dem Frühling in aller Munde sind. Nach dem zu urteilen, was ich sowohl über Pascoe als auch Grindal weiß, hätte ich gewettet, daß der Feldwebel von den beiden der ausgeglichenere ist.

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