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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Aber mich fragt ja niemand.«
    Er machte eine Pause, um die Seite umzublättern.
    Pascoe sagte: »Dieser Evenlode, das war der Offizier der Anklage, ja?«
    »Richtig. Gewöhnlich übernahm der Adjutant der Einheit des Gefangenen diese Rolle. Dadurch blieb alles sozusagen in der Familie, und es bedeutete auch, daß er die Leute, um die es ging, persönlich kannte. Man dachte generell, daß es sich günstig für den Gefangenen auswirke.«
    »Wer’s glaubt«, höhnte Pascoe.
    Ellie warf schnell ein: »Der Vetter, wie hieß er noch mal? Steve Pascoe, Ja? Was wurde aus dem?«
    »Ich hab dir doch erzählt, was die Frauen in Kirkton gesagt haben«, begann Pascoe, irritiert durch die Unterbrechung.
    »Ja, ich weiß. Er brannte mit der Witwe seines Vetters durch. Was ich meine, ist folgendes. Wenn er desertiert ist, wie kommt es, daß er nicht geschnappt wurde? Und wie kommt es, wenn Peter Sie richtig wiedergegeben hat, Herr Major, daß in den Regimentsakten nur vermerkt ist, daß er im Ypernbogen verwundet wurde?«
    »Ach ja. Soldat Stephen Pascoe. Das habe ich natürlich überprüft, als mir klar wurde, daß mein Vater in die Sache verwickelt war«, sagte Studholme. »Sein Fall ist ziemlich traurig. Technisch gesehen ist er desertiert. Seine Uniform und sein Ausweis wurden als Bündel im Bahnhof von Liverpool gefunden, und man ist davon ausgegangen, daß er sich entweder versteckt oder eine Überfahrt nach Amerika gefunden hat. Die Sache war die. Er hatte sich zwar von den Verletzungen, die er im August erlitten hatte, gut erholt, doch seiner Krankenakte ist zu entnehmen, daß die Bewegungsfähigkeit des linken Arms und der Schulter für immer beeinträchtigt war. An dem Tag, als er sich absetzte, hatte er vor einer Ärztekommission erscheinen müssen, die seinen Gesundheitszustand bewerten sollte. Das war das übliche Verfahren für Verwundete, bevor man sie zu ihren Einheiten zurückschickte – oder, natürlich, zu weiterer Behandlung riet. Man untersuchte ihn und empfahl, ihn zu entlassen. Als Soldat an der Front hatte er keine Zukunft, er würde seinem Land in seinem alten Beruf nützlicher sein.«
    »Niemand hat natürlich daran gedacht, ihm das auf der Stelle zu sagen«, warf Pascoe bissig ein.
    »So läuft das nicht bei der Armee, leider«, sagte Studholme mit echtem Bedauern. »Es geht immer alles den Dienstweg. Wahrscheinlich dachte er beim Fortgehen, daß man ihm wieder den Stempel für die Front geben würde, und hatte die Nase voll. Technisch gesehen war er, wie ich schon sagte, noch in der Armee, bis er offiziell entlassen wurde. Aber kein Regiment hat gern Deserteure in seinen Akten stehen. In diesem Fall hätte es zudem den Sinn für Gerechtigkeit beleidigt, wenn man einen Mann zurückgeholt und eines Kapitalverbrechens angeklagt hätte, nachdem feststand, daß er sowieso nicht mehr kampftüchtig war. Seine Entlassung wurde also rasch und ohne großes Aufheben hier im Ersatzamt in Leeds durchgeführt, und die Tatsache, daß er sich die letzten Wochen seines Dienstes ohne Urlaub abgesetzt hatte, hat man ignoriert.«
    »Na, da bin ich aber froh, daß nicht noch ein weiterer Pascoe Ihre kostbaren Akten besudelte«, sagte Peter Pascoe bitter. »Kehren wir zu Ihrem Vater zurück, ja?«
    »Natürlich. Der nächste Eintrag beginnt mit den Worten:
Ich hätte nie schreiben dürfen: ›Aber mich fragt niemand!‹ Ich wurde gerade gefragt, beziehungsweise, man hat es mir gerade mitgeteilt, weil es in solchen Dingen kein Fragen gibt. Ich soll Pascoes Verteidiger sein. Der Kompanieführer sagt, es sei eine widerliche Aufgabe, aber er wüßte, daß ich mein Bestes geben würde. Evenlode sagte, im Gegenteil, man würde sich dabei kein Bein ausreißen, denn das Urteil stünde sowieso fest, es würde also nur bedeuten, daß ich ein paar Tage vom Fronteinsatz befreit wäre, das heißt im Warmen und Trockenen Läuse suchen könnte. Ich erwiderte ziemlich sarkastisch, daß in diesem Fall auch er eine ruhige Kugel schieben würde. Aber er hat mich nicht verstanden und gesagt: O ja, es bedeutet, eine große Laus zu zerquetschen, und das ist ein besonderer Genuß. Evenlode ist wirklich ein widerlicher Kerl.«
    Studholme legte wieder eine Pause ein und sagte zu Ellie: »Schenken Sie sich doch nach.«
    »Mann, hab ich schon alles ausgetrunken? Danke, ja.«
    Sie füllte ihr Glas. Pascoe sagte: »Und was hat Ihr Vater über den Prozeß zu sagen?«
    »Ja, vorher schreibt er noch über die Schwierigkeiten, die er hatte, Pascoe dazu zu

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