Der Wald des Vergessens
könnte geholfen haben.«
Wield hatte sich diesmal Dalziels elftem Gebot widersetzt, das da lautete: Wenn ich trinke, haben gefälligst alle zu trinken. Er hielt sein Glas umklammert und stand gehorsam auf, wenn der Dicke sagte: »Du bist dran, Junge« und holte ein weiteres Bier und einen Schnaps. Wenn Dalziel selbst an der Reihe war, ignorierte er Wields Abwehren und kam immer mit zwei großen Bier nebst Schnaps zurück, die er beide fast geistesabwesend trank, während Wield sich an seinem Glas festhielt.
Was von dem Dicken wohl nicht zu erwarten war, war ein rührseliges Bekenntnis, bei dem er komplett auspackte, auch wenn er wußte, daß er das, was er tat, am nächsten Morgen bedauern würde, wenngleich nicht so sehr wie sein armer Zuhörer. Wield wußte jedoch aus langer Erfahrung, daß Dalziel, wenn sich der Alkohol allmählich seiner bemächtigte, seinem Gegenüber vielleicht einen kurzen Einblick in sein Herz gewähren würde, verhüllt durch einen Gazeschleier indirekter Anspielungen.
»Großartiges Mädel, die Ellie«, sagte Wield, der ein überzeugter Fan Ellie Pascoes war.
»Das weiß ich auch, aber eine Handvoll, das kannst du nicht leugnen. Aber vielleicht macht das ja nichts, wenn sonst alles stimmt.«
Er schwenkte unbestimmt sein Glas, um »sonst alles« zu illustrieren, leerte es dann und nahm eins von Wields.
»Da war mal ’n Mädel, das ich kannte, ist schon ’ne Weile her, ’ne Witwe, kurz nachdem Pete geheiratet hat … warst du eigentlich auf der Hochzeit, Wieldy?«
»Nein, Sir. Hatte gerade eine Blinddarmoperation hinter mir.«
»Ach ja. Ja, wie ich schon sagte, ich hab danach ein paar Tage Urlaub gemacht, hab mich mit dem Mädel angefreundet. Wurde ziemlich eng. Sah aus, als könnte was draus werden. Man kommt auf dumme Ideen, wenn man sieht, wie der Junge heiratet und so …«
Er sah nachdenklich in sein Glas, und Wield nutzte die Gelegenheit, um nachdenklich auf die Uhr zu sehen, die er im Spiegel der Bar sah. Schiete. Edwin würde nicht gerade begeistert sein, dachte er.
»Ich langweile dich doch nicht etwa oder, Wieldy?« sagte Dalziel scharf, als hätte der Sergeant eine Halbsavonette [50] aus der Tasche geholt und ans Ohr gehalten.
»Daraus ist nie etwas geworden, ja?« sagte Wield, der sich nicht in die Defensive treiben und ablenken lassen wollte.
»Wir hatten unseren Spaß«, sagte Dalziel. »Aber irgendwas stimmte nicht mit dem Tod ihres Mannes … mir kam es so vor, als könnte ich das Risiko nicht eingehen …«
»Für den Fall, daß sie es auch auf Sie abgesehen hatte, Sir?« konnte Wield nicht widerstehen zu sagen.
»Für den Fall, daß ich sie hätte einbuchten müssen«, erwiderte der Dicke. »Ich hatte doch recht, oder?«
»Sie müssen davon ausgegangen sein, daß Sie recht hatten, Sir«, sagte Wield.
»Ich wußte, daß der Polizist in mir recht hatte. Und der Mann in mir war sich zu fünfzig Prozent sicher …«
»Klingt in meinen Ohren nach einer überwältigenden Mehrheit«, sagte Wield.
»Ja, aber nun stell dir mal vor, der Mann in mir wär sich nicht so sicher gewesen? Stell dir vor, ich hätt so ein Gefühl von 80 zu 20 gehabt, daß sie O. K. war? Hätt ich dann auch noch recht gehabt?«
Nun kommt es zum Schwur, dachte Wield.
»Es kommt ganz darauf an, was einem am wichtigsten ist«, sagte er fest. »Ich meine, ganz generell. Wenn der Job immer an erster Stelle steht, und der Rest läuft nur mit, dann macht das die Sache einfach, auch wenn sie schwer ist.«
»Ja? Du glaubst also, Peter hängt den Job an den Nagel, wenn Ellie ihm die Pistole auf die Brust setzt?«
»Ich dächte, ja. Vielleicht tut sie es nicht, weil sie das weiß«, sagte Wield.
»Du klingst, als hättest du die Nase in so ein Reader’s Digest von deinem Kerl gesteckt«, spottete Dalziel. »Was mich drauf bringt, und wie steht es mit dir? Wenn Desperate Dan darauf bestehen würde, daß du Brigadoon verläßt und wieder in deine Junggesellenbude in der Stadt ziehst, was würdest du dann tun?«
Dalziel war zwar immer weit davon entfernt, um den heißen Brei herumzureden, aber so deutlich hatte er noch nie über Wields häusliche Situation gesprochen.
»Kein Problem«, sagte Wield. »Ich würde mich vorzeitig pensionieren lassen.«
Und es war in der Tat einfach, jetzt, nachdem er es ausgesprochen hatte. Er fühlte, daß die Zwänge seines Berufs, die immer im Zentrum seines Lebens gestanden hatten, von ihm abglitten wie Seide von einer Stripperin. He, ich bin doch ein
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