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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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unteren Sicherheitszaun, schwankten und wogten in einem wahnsinnigen Getöse, den ein phantasiebegabtes Gemüt als Protest gegen den Tod ihrer Kameraden hätte verstehen können. Da brachte ein gewaltiger Windstoß Jane Ambler aus dem Gleichgewicht. Sie stolperte, faßte wieder Fuß, stolperte wieder. Und weg war sie.
    »Herr im Himmel!« explodierte Patten. Dann rannte er auf den Planken entlang, etwas behutsamer von Wield verfolgt.
    Durch die Ausgrabungen war der Krater zu einem Weiher mit trübem braunem Wasser geworden. Als sie sein Ufer erreichten, kam die Frau gerade wieder an die Oberfläche, schnappte nach Luft und schlug wild mit den Armen um sich. Unter ihr waren etwas über zwei Meter Wasser, schätzte Wield, und darunter weiß Gott wieviel saugender, klammernder Schlamm. In dem würde sie umkommen. Wenn man mit den Füßen hineingeriet, konnte man sich nicht mehr freistrampeln.
    »Treiben lassen!« schrie er. »Auf dem Rücken. Einfach nur treiben lassen!«
    Vielleicht hatte sie ihn gehört, vielleicht waren es nur die Erschöpfung und die lähmende Wirkung des kalten Wassers, aber sie hörte auf, um sich zu schlagen, und legte sich rückwärts auf das Wasser. Patten, wie ein viktorianischer Verehrer auf einem Knie, hielt ihr die rechte Hand hin. Wield packte seine linke, um ihn zu stützen. Amber sah die ausgestreckte Hand, versuchte sie zu erreichen, ihre Zeigefinger berührten sich wie die von Gott und Adam, da trieb der Wind eine kleine Welle in Jane Amblers nach Luft japsenden Mund, sie verschluckte sich und verschwand noch einmal unter der Oberfläche.
    Sekunden vergingen. Eine, zwei, drei …
    »Scheiße«, sagte Patten. »Ich muß da rein.«
    Er machte sich daran, seine Schuhe wegzutreten. Dem Herrn sei gedankt für den Mann der Tat! dachte Wield, inbrünstig seine bisherigen Vorbehalte gegen diese Gattung zurücknehmend. Da sah er genau in der Mitte des Teiches eine Bewegung wie den Wirbel im Teich von Lourdes, wenn er den Augenblick eines Wunders vorhersagt.
    »Da ist sie!« rief er aus.
    Und im nächsten Augenblick brach Jane Ambler durch die Oberfläche wie eine Kreatur der Tiefe, die heftig aus ihrem Jahrhunderte währenden Schlummer gerissen wurde und mit einer solchen Gewalt nach oben geschossen kam, daß es so aussah, als habe sie den Ehrgeiz, auf dem Wasser zu stehen. Es war ein Manöver, mit dem man die Goldmedaille beim Synchronschwimmen hätte gewinnen können, und so unglaublich es war und so entsetzlich, disqualifiziert hätte man sie nicht. Der Partner fehlte ihr nämlich nicht. In ihren Armen hatte sie einen Mann, dessen Kopf nach hinten baumelte wie eine abgeknickte Chrysantheme auf ihrem Stengel, und als das braune Wasser aus den triefenden Locken rann, erkannte Wield Jimmy Howard.
    Er hatte nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um sich darüber klarzuwerden, warum Patten so besorgt geworden war, als die junge Frau ins Wasser fiel, denn schon hatte er einen Faustschlag in den Nacken erhalten und wankte vornüber in die schlammigen Tiefen.
    Beim Untergehen dachte er, ich hätte mir mehr Mühe geben sollen, Edwin heute morgen aus seiner schlechten Laune zu holen. Er wird denken, daß ich mich aus Trotz ertränkt habe!
    Der Gedanke war so absurd, daß er gelacht hätte, wenn das nicht bedeutet hätte, daß er einen weiteren Eimer der ekligen Flüssigkeit geschluckt hätte. Statt dessen trat er kräftig aus, kam an die Oberfläche und atmete in der stürmischen Luft tief durch. Jane Ambler war dicht bei ihm. Erfreut nahm er wahr, daß sie ihrem grausigen Begleiter den Laufpaß gegeben hatte, und er streckte die Arme aus und umfaßte sie im vorgeschriebenen Lebensrettungsstil. Sie war anscheinend regungslos vor Schock und versuchte sich nicht zu wehren.
    Er warf einen vorsichtigen Blick in Richtung der Laufplanken. Da hockte Patten und fixierte sie. Man brauchte nicht die Phantasie eines Schriftstellers zu haben, um zu lesen, was ihm im Kopf herumging. Bestand eine Chance, sie beide loszuwerden, so daß sie Jimmy Howard auf dem Grund des Trichters Gesellschaft leisten konnten? Und da schon einer da unten lag, was machte es aus, wenn die Chancen schlecht standen? So funktioniert das Gehirn eines Militärs. Beschränkt dadurch, daß der Tod zur ersten statt zur letzten Wahl erhoben wird.
    Wield paddelte auf die andere Seite des Teichs und versuchte, sich an der Wand festzuhalten. Schlammiger Lehm löste sich in seiner Hand. Hier kam er weder an Land, noch konnte er sich festhalten. Das

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