Der Wald ist schweigen
geschieht.«
»Ich verstehe nicht, wie ich dabei helfen kann.«
»Das blonde Mädchen hieß Darshan Maria Klein.« Manni beschließt, dass es legitim ist, dies zu behaupten, auch wenn der Anfänger noch immer keine Angehörigen ermitteln konnte. »Sagt Ihnen dieser Name etwas? Hat Ihr Mann diesen Namen einmal erwähnt? Oder kann er ihr begegnet sein? War er vielleicht mal in diesem Seminarzentrum Sonnenhof im Schnellbachtal?«
»Nein.« Die Antwort kommt so leise, dass er sie kaum verstehen kann. Trotzdem ist er überzeugt, dass Juliane Wengert diesmal die Wahrheit sagt, dass er zu ihr durchgedrungen ist. Etwas in der Art, wie sie ihn ansieht, ist anders. Aufmerksamer. Offenbar hat sie das ewige Mauern aufgegeben und lässt das, was er sagt, endlich an sich heran.
»Und Diana Westermann? Sagt Ihnen dieser Name etwas?«
Plötzlich sieht sie aus wie ein kleines Mädchen. »Ich kenne diese Namen nicht, wirklich nicht. Aber was heißt das schon? Was weiß ich schon? Was weiß ich schon über meinen Mann?«
Sie hält inne und wird noch eine Spur blasser. »Warum fragen Sie mich eigentlich nach diesem toten Mädchen? Sie glauben doch nicht, dass Andreas sie umgebracht hat?«
»Uns interessiert vor allem, ob Sie das glauben.«
»Niemals, nein, niemals hätte Andreas das getan.«
»Warum sind Sie so sicher? Gerade haben Sie noch gesagt, dass Sie gar nicht mehr einschätzen können, was Sie eigentlich über Ihren Mann wissen.«
»Weil er …«, sie starrt ihn an, offenbar nach Worten suchend, während erneut die Tränen aus ihren Augen strömen. »… weil er das nicht fertig gebracht hätte. Betrug – ja. Aber Mord? Das hätte er einfach nicht gebracht, verstehen Sie. Weil er zu weich war. Zu feige. Vielleicht hätte er das Mädchen gestoßen, aus Wut oder unabsichtlich. Aber in so einem Falle wäre es seine Art gewesen, sie dann einfach liegen zu lassen und zu hoffen, dass sie von selbst stirbt.« Ihre Stimme gewinnt an Kraft, während sie spricht. »Ja, so hätte er das gemacht. Vielleicht wäre er sogar zu mir gekommen, damit ich ihm helfe, mit den Konsequenzen seines Handelns weiterzuleben.«
»Und? Hätten Sie ihm geholfen?«
Hilflos schüttelt sie den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er ist ja auch nicht gekommen.«
Wortlos hält Manni ihr das Foto von Laura Nungesser hin, das der Anfänger schließlich doch noch organisiert hat. Ein leicht verwackelter Schnappschuss, aber er tut seinen Dienst. Er sieht, dass Miss Marmor das Mädchen augenblicklich erkennt.
»Laura Nungesser, eine Schülerin von Andreas«, flüstert sie.
»Ihr Mann hatte ein Verhältnis mit ihr?«
Sie nickt, gequält.
»Warum haben Sie das nicht früher gesagt?«
»Ich wollte nicht, dass es herauskommt. Eine minderjährige Schülerin! Diese Schande, wenn es die Nachbarn erfahren oder meine Familie.«
»Laura lebt im Sonnenhof.«
Juliane Wengert sieht ehrlich überrascht aus. »Da also hat sie sie hingeschickt.«
»Sie?«
»Lauras Mutter.«
Einen Moment lang sagt keiner von beiden etwas, und in dieser Stille scheint Juliane Wengert endlich zu erkennen, was sie zuvor nicht wahrhaben wollte. Sie hält die Hand vor den Mund und starrt Manni an.
»Deshalb also war Andreas auf dem Hochsitz. Weil er sie immer weiter gesehen hat. Also war alles umsonst.«
»Was war umsonst?«
Wie Sturzbäche schießen die Tränen aus Juliane Wengerts Augen, die inzwischen ganz rot und verschwollen sind. Die Frau schluchzt jetzt so heftig, dass er sie kaum verstehen kann. »Also hat sie mich auch belogen! Sie hat mir versprochen, dass sie Laura von der Schule nimmt und dafür sorgt, dass sie Andreas vergisst. Und Andreas hat geschworen, dass es ein Ausrutscher war. Ein Ausrutscher!« Juliane Wengert schreit das Wort jetzt heraus, wirft sich auf die Seite und beginnt, die Matratze mit den Fäusten zu bearbeiten. »Ein verdammter Ausrutscher!« Die Fäuste fliegen hoch zu ihrem Gesicht, boxen und schlagen auf die Wangen, auf die Stirn, auf den Mund, so schnell, dass es Manni nicht gelingt, sie einzufangen. »Blöde Kuh!«, schreit Juliane Wengert. »Ich bin so eine blöde Kuh! Ein Ausrutscher – warum habe ich das nur geglaubt! Warum lasse ich mich von allen belügen?«
Die Tür zum Krankenzimmer fliegt auf und die Lernschwester stürzt herein, dicht gefolgt von der Stationsärztin, die Manni mit einem vernichtenden Blick vom Stuhl scheucht. Mit langen Schritten lässt er das Krankenzimmer hinter sich. Es ist zwecklos zu warten, bis Juliane Wengert wieder
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