Der Wald ist schweigen
während ihr Mann mit irgendwelchen Geschäftspartnern Austern schlürft und sich zum Dessert Edelhuren bestellt. Kein Wunder, dass sie so hämisch über die Eheprobleme der Wengerts spricht.
»Das ist schon eine ganze Weile her, dass ich die gesehen habe.« Ihre Antwort holt ihn zurück auf die von kniehohen Buxbaumrabatten begrenzte, weißgekieste Auffahrt. »Seit Juli definitiv nicht mehr – dann ist es wohl aufgeflogen. Jedenfalls haben die Wengerts seitdem so viel gestritten. Im Sommer stehen die Fenster ja auf, da war das leider nicht zu überhören.«
»Vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen.«
»Man tut, was man kann.« Juliane Wengerts Nachbarin lächelt gnädig. »Dies hier ist eine anständige Wohngegend und wir wollen alle, dass es so bleibt.«
Schon wieder alle. Manni verspürt nicht die geringste Lust zu fragen, wer damit gemeint ist.
»Die im Sonnenhof sagen, sie hätten kein Handy, das die Försterin abgegeben hat«, referiert der Anfänger, während sie zurück zum Präsidium in Köln fahren. »Außerdem sagt die Chefin, dass diese Darshan, der es angeblich gehören soll, seit Monaten in Indien ist. Wo, wusste sie auch nicht genau, in irgend so ’nem Aschram, was auch immer das eigentlich genau ist. Sie wollte mir ein paar Adressen faxen. Soll ich der Sache nachgehen?«
Manni überholt einen Mercedes, der mit Tempo 140 auf der Mittelspur herumtrödelt.
»Erst mal nicht. Wir müssen uns die anderen Schülerinnen vornehmen und vor allem Tanja Palms Gedächtnis nach einer möglichen Vorgängerin durchforsten, die Wengert gepoppt hat. Und zuallererst müssen wir Staco-Steff nochmal auf die Füße treten. Wenn er die Mailboxen der Wengerts nicht heute noch knackt, hetze ich Millstätt auf ihn, das schwöre ich.«
»Es ist Samstagnachmittag«, sagt der Anfänger.
Manni flucht.
***
Ich krieg dich, du Schlampe. Diana treibt den Holzpflock mit harten Schlägen in den Boden. Den ganzen Tag hat sie den Hangbestand an der B 55 zum Durchforsten ausgezeichnet und dabei das unbehagliche Gefühl, dass sie beobachtet wird, ignoriert. Vielleicht hätte sie der Kommissarin von der Krakelei auf dem Hochsitz erzählen sollen. Aber als Judith Krieger ihr in der Küche gegenübersaß und sie mit ihren traurigen, türkisgeränderten Augen fixierte, hat sie der Mut verlassen. Wer sagt ihr, dass sie dieser Kommissarin vertrauen kann? Dass sie das, was Diana zu sagen hat, nicht doch irgendwann gegen sie verwenden wird? Und dann diese Empfehlung, woanders zu übernachten und den Wald zu meiden. Ihren Arbeitsplatz! Das Allerletzte! Ich bin ein freier Mensch, denkt Diana trotzig und nagelt Maschendraht an den Pflock, damit das Schlupfloch im Gartenzaun wieder dicht ist. Ich lasse mich nicht einschüchtern.
Die Dunkelheit kommt jetzt schnell, der Waldrand verschwimmt zu einer konturlosen Masse. Der Wald hat Augen, er sieht mich an. Wieder dieses Gefühl. Schnell verschließt Diana die Garage und läuft durch den Garten zurück zur Veranda. Jemand steht dort. Laura.
»Himmel, hast du mich erschreckt! Was machst du denn schon wieder hier?«
Laura zuckt zusammen und augenblicklich bereut Diana, dass sie sie so angefahren hat. Das Mädchen kann schließlich nichts dafür, dass sie nervös und müde ist.
»Das ist jetzt keine so gute Zeit für einen Besuch, ich bin schlagkaputt und hungrig.« Und ich will nicht schon wieder die Gesellschaft einer heimatlosen 17-Jährigen, die sich in meinen Hund verliebt hat.
»Ich kann dir was kochen, während du duschst. Ich kann super Spaghetti!« Laura setzt sich auf die Treppe und streichelt Ronja.
Spaghetti. Der Preis dafür ist, dass sie sich um Laura kümmern muss. Etwas belastet das Mädchen. Aber sie ist nicht ihre Mutter oder ihre große Schwester, sie ist nicht zuständig. Außerdem ist Samstag. Es war ein Fehler, dass sie sich vor einer Woche fortgeschlichen hat, ohne Tom ihre Telefonnummer zu hinterlassen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, diesen Fehler wieder gutzumachen.
»Diese Kommissarin ist bei uns eingezogen.« Es ist nicht klar, ob Laura das zu Ronja oder Diana sagt.
»Eingezogen? Du meinst, sie ermittelt bei euch?«
Laura schüttelt den Kopf. »Sie sagt, der Fall ist abgeschlossen, seine Frau war’s. Jetzt hat sie Urlaub und will meditieren. Heiner hat gesagt, wir sollen sie wie eine von uns behandeln. Sie brauche vor allem Ruhe.« Laura verzieht das Gesicht. »Sie hat das Zimmer direkt neben meinem und guckt mich immer so komisch an. Und
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