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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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eine Flasche Wasser und ging wieder hinaus. Sie hatte insgeheim gehofft, dass Thorvald irgendwo im Schatten sitzen würde, mit Noten auf den Knien, leise vor sich hin summend. Aber er war nirgends zu sehen.
    Kirschbaum setzte sich neben Olga auf die Stufen, die zur Veranda hinaufführten. Sie tranken einige Schlucke und schauten in das grüne Dickicht am Rand des Gartens.
    »Ist sie umgebracht worden?« Olga hörte sich diese Frage stellen und fand sich seltsam fremd dabei. War sie es wirklich, die so etwas Unfassbares fragte?
    »Das können wir jetzt noch nicht sagen.« Kirschbaum stützte die Ellenbogen auf die Knie. »Aber vieles deutet darauf hin.«
    Trotz der Hitze begann Olga plötzlich zu frieren. Sie hatte Kopfschmerzen. Die ganze chaotische und heiße Nacht des Klassentreffens wirbelte durch ihren Kopf. Kann das jemand von uns getan haben? Wer, um Gottes willen?
    Kirschbaum sah sie an. »Haben Sie irgendeine Vorstellung? Eine spontane Idee?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe sie gefunden und   …« Sie stockte. Was sollte sie ihm erzählen? Dass sie ihre tote Freundin wer weiß wie lange betrachtet hatte, weil sie so wunderschön aussah?
    »Haben Sie jemanden bemerkt? Einen Spaziergänger zum Beispiel? Davon gibt es doch genug hier draußen«, unterbrach Kirschbaum Olgas Gedanken.
    »Ein großer Hund hat mich geweckt.«
    Kirschbaum sah sie fragend an.
    »Ich war eingeschlafen, oben, unter der alten Buche. Ich hatte mich in das weiche Moos gelegt, dort haben wir als Kinder viel gespielt. Und dann bin ich wohl eingedöst. Diese Hitze macht mich ganz fertig. Und dann hat der Hund mich geweckt.«
    »Welcher Hund?«
    »Ein riesiges Ungetüm. Hat mich angeknurrt. Einen Menschen habe ich nicht gesehen. Nur dieses Riesenvieh. Dann habe ich einen Pfiff gehört. Von einer Hundepfeife, glaube ich. Das Tier ist dann weggetrottet wie ein Pferd.«
    »Haben Sie den Hund schon einmal gesehen oder so einen Pfiff schon einmal gehört?«
    »Nein.« Olga machte eine Pause. »Ich war so lange nicht mehr hier.«
    »Gar keine Idee?«
    »Hier oben kenne ich nur einen, der diese Art von Hunden hält. Und das ist Robert.«
    »Weiter?«
    »Hunter. Robert Hunter.« Olga zeigte in Richtung Steinbruch. »Er wohnt hinter dem Hügel, auf dem kleinen Hof.«
    »Und was macht er beruflich?«
    Olga bemerkte, dass Martin Kirschbaum gar keinen Notizblock hatte, in dem er herumkritzelte. Wie Juliane.
    »Er hat einen Schrottplatz und handelt mit Militärfahrzeugen. Mehr weiß ich nicht.«
    Sie betrachtete Kirschbaum offen von der Seite. Er war einer dieser unscheinbaren Menschen, die man kaum wahrnahm. Mittelgroß, mittelblond, mittelalt, ruhige Stimme, Ehering. Sein Blick allerdings war besonders. Mit kleinen flinken grünen Augen streifte er sein Gegenüber nur. Dennoch schien er im Bruchteil einer Sekunde alles Nötige zu erfassen. Und dieser Mann war zu Olgas Rettungsring geworden. Sie hatte im Moment sonst niemanden, an dem sie sich festhalten konnte. Er würde sie sicher ans Ufer bringen. Das war sein Job. Er hatte ihr Vertrauen bereits gewonnen. Er war ein Profi. Und er war mit Sicherheit unschuldig.
    Plötzlich fiel ihr Ines ein. Kriminalhauptkommissarin Ines Sadur hatte Urlaub und wollte ein paar Tage hier im Wald bei Hanna bleiben. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Mit
ihr
konnte sie doch reden. Anders reden. Erleichtert stand sie auf und sah Kirschbaum an.
    »Ich möchte mich jetzt umziehen«, sagte sie entschlossen. »Und dann möchte ich meine Ruhe haben.«
    Die Vorstellung, sich aussprechen zu können, machte ihr wieder Mut. Martin Kirschbaum stand auf, gab ihr fest die Hand und bestellte sie für den nächsten Tag ins Präsidium. Freundlich, aber bestimmt. Die Räder der Ermittlungsmühle hatten sich längst in Bewegung gesetzt.

5
    Es war immer wieder ein komisches Gefühl, wenn sich die Schwebebahn in die Kurven legte; es rappelte und rumpelte, obwohl sich dieses außergewöhnliche Verkehrsmittel hängend fortbewegte. Ungestört schwebte sie über Baustellen und verstopfte Kreuzungen, Einbahnstraßen und Sackgassen hinweg, um dann wieder dem vertrauten, kurvigen Verlauf des Flusses zu folgen, begleitet von einem ewigen Quietschen.
    Die Schwebebahn fuhr ihren Fahrgast durch das »wahre Leben« der Stadt, die sich ungeschminkt und nachlässig gekleidet ans Ufer des Flusses gesetzt hatte. Alte Firmenschriftzüge, besprüht mit schlechten Graffitis, hielten die Vergangenheit tapfer lebendig. Es waren jene

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