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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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Raubritter wurden von den bewaffneten Herren getötet. Die überlebenden Ritter nahmen mit, was die Leute bei sich hatten, schnitten den Toten sogar die beringten Finger ab und verschwanden in den dunklen Tiefen des Waldes.
    Lange lagen die Getöteten in dem Hohlweg. Man erzählte sich, dass die Erde an dieser Stelle hundert Jahre lang schwarz war vom Blut, das hier vergossen worden war. Und in dieser schwarzen Erde wuchsen bis in die Gegenwart hinein nur Disteln und Teufelskralle. Noch immer hatten die Seelen der Toten keine Ruhe gefunden. Jedes Mal wenn sich dieses schreckliche Ereignis jährte, irrten in der darauffolgenden Nacht körperlose Geschöpfe umher, um ihre Habseligkeiten wiederzufinden. Die Fuhrleute suchten ihre Butter und den Käse, der Postreiter suchte seine Schriftrollen und seinen Kopf, die edlen Reiter ihre Finger, die Goldschnallen und die Pferde.
    Vielleicht hatte der Anführer der Raubritter Juliane geholt. Vielleicht war sie aber auch gar nicht getötet worden, sondern eines natürlichen Todes gestorben. Als Kinder hatten sie sich oft in das eisige Wasser gelegt und Wasserleiche gespielt. Olga fröstelte wieder.
    Tot. Tot? Dieses Wort hatte bereits Bedeutung in Olgas Leben. Ruben war nicht mehr da. Er war mit seinem Porscheverunglückt, als sie zehn war. Onkel Ruben, der Bruder ihres Vaters, der genauso aussah wie dieser, nur ein wenig größer und schmaler. Alle hatten geweint, nur Großvater Vincent nicht. Und da wusste sie, dass es für ihn besonders schlimm gewesen war. Wer nicht weinen kann, lässt sein Leid nicht mit den Tränen abfließen, es bleibt tief im Inneren und lässt das Herz langsam zu Stein werden.
    Ihr Großvater war nach dem Tod seines ältesten Sohnes nicht mehr so wie früher, das hatte Olga genau gespürt. Auch ihr Vater hatte sich verändert. Das war für sie viel schlimmer. Der Tod hatte den Vater besucht und zwar nicht ihn, aber seinen Frohsinn mitgenommen. Und dann war er auch noch bei Vincent vorbeispaziert und hatte ihm den Lebenswillen gestohlen. Aber er war schlampig gewesen, denn einen kleinen Fetzen davon hatte er zurückgelassen.
    Es war nicht der Tod selbst, der Olga Angst einflößte, sondern das, was er aus den Menschen machte, die zurückblieben und weiterleben mussten. Auch wenn sie das gar nicht mehr wollten. Olga hatte damals genau gespürt, dass Vincent nicht mehr leben wollte. Er tat es dennoch, und das war für alle schlimmer, als wenn er gestorben wäre.
    Sie sollte die Liste für Kirschbaum zusammenstellen, eine Liste der ehemaligen Mitschüler, die im »Luis« gefeiert hatten, aber auch aller anderen Gäste, die sie namentlich kannte. Sollte Olga jemanden vergessen haben, würden Thorvald, Benno und Hanna die Liste ergänzen.
    Das Beste wäre, jetzt gleich anzufangen und nicht zu viel nachzudenken. Sie suchte in den Schubladen nach Papier und einem Stift. Als sie überlegte, mit welchem Namen sie beginnen wollte, drifteten ihre Gedanken schon wieder ab. Die welligen Haare, das schöne Kleid,das liebliche Gesicht unter der Wasseroberfläche. Und die schönen Blumen! Wo kamen nur die ganzen schönen Blumen her? Olga begann zu zeichnen.
    Etwas rumpelte an der Tür. Sie kannte das Geräusch gut und blickte auf. Thorvald stand müde im Türrahmen und schaute sie fragend an.
    »Ich suche einen Stift   …« Sie lächelte ihn an und begann wieder, in der Schublade zu kramen. »Hier waren doch immer so viele abgebrochene Buntstifte, ich kann keinen einzigen mehr finden.«
    Thorvald stellte seine Tasche in die Ecke und ging auf sie zu. Er legte seine Hände auf ihre Schultern, drehte Olga zu sich um, nahm sie in seine Arme und hielt sie ganz fest, ohne etwas zu sagen. Lange standen sie so da, bis Olga endlich anfing zu weinen. Der Autopilot hatte sich ausgeschaltet. Olga war wieder sie selbst und weinte die Tränen, die noch nicht hatten fließen können. Sie weinte um Juliane. Und sie weinte um ihre Familie.
     
    Spät am Abend fanden sich Thorvald, Benno, Ines und Hanna wieder im »Luis« ein.
    »Nie wieder«, murmelte Thorvald. »Und wenn ich dieses verfluchte, stinkende Gewässer in ganzer Länge von Vohwinkel bis Oberbarmen zu Fuß durchwaten muss. Ich setz mich da nie wieder rein.«
    »Selbst schuld«, erwiderte Hanna genervt. Sie hatte bis spätabends noch Hausbesuche gemacht und war gerade erst an den Tisch zu ihren Freunden gekommen. »Bei so einem Wetter fährt man auch nur in die Stadt, wenn es unbedingt sein muss.«
    Luis kam aus der Küche

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