Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget
dich wie ein pickeliger Spätpubertierender, dem die Hormone übergeschossen sind. So hilfst du Hanna nicht. Du wartest jetzt ab, und dann werden sich die Dinge klären. Das mit Robert regeln wir später. Er ist auch nicht gerade mein bester Freund.«
Der Tag war noch lange nicht zu Ende, er lag vor ihnen wie ein Parkplatz nach Ladenschluss. Düsternis machte sich breit. Benno hockte bockig auf der Veranda und ließ sich die letzten Tropfen Capel Sour direkt aus der Flasche in den Mund tröpfeln. Er stand auf und schwankte ins Haus. Olga, die mittlerweile aus dem »Luis« zurückgekehrt war, folgte ihm.
»Na, das kann ja heiter werden.« Thorvald hatte seine Unterlagen wieder aufgenommen und blätterte darin. »Wäre ich bloß in Kopenhagen geblieben«, sagte er resigniert. »Hier draußen laufen nur Verrückte rum.«
»Sieht ganz so aus. Verrückte und Mörder.« Ines sah ihn forschend an. »Was denkst du, was passiert sein könnte?«, fragte sie.
Thorvald zuckte mit den Schultern. »Hanna ist eine ehrgeizige, zielstrebige Frau, der ich alles Mögliche zutraue. Und sie ist sehr eifersüchtig. Zumindest die Johanna, die wir alle von früher kennen. Sie würde ihren Mann nie kampflos einer anderen überlassen. Andererseits wäre sie doch niemals so dumm, wegen Luis einen Mord zu begehen.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Nicht wegen dem. Nie!«
Ines hatte sich Thorvald gegenübergesetzt. »Sie hat Luis erst vor kurzem geheiratet. Eifersucht oder unerfüllter, verzweifelter Kinderwunsch sind enorme Antriebe, unsinnige Dinge zu tun. Das habe ich so oft erlebt. Völlig unscheinbare, anständige Menschen drehen durch, weil ihr geliebter Partner plötzlich jemand anderen begehrt. Das ist eine schlimme Vorstellung. Und als Verlassene kannst du nicht viel tun.«
Sie saßen schweigend da und sahen einander an. Dann nahm Ines den Faden wieder auf.
»Ist dir das noch nie passiert? Ich meine, dass du versucht hast, einer Frau zu gefallen, und sie ist nicht darauf angesprungen? Egal, was du anstellst, der Funke, dieses Etwas, das man nicht beeinflussen kann, springt einfach nicht über. Da ist man vollkommen machtlos.«
»Du redest von der profanen Liebe«, erwiderte Thorvald trocken.
»Ja. Und von der Lust. Man kann auch jemanden ganzheiß begehren, ohne ihn gleich zu lieben. Einfaches, wildes Verlangen.«
»Klar ist mir das passiert.« Thorvald dachte aber nicht daran, jetzt und hier über seine verschlungene Beziehung zu Olga oder zu anderen Frauen zu reden.
»Tatsächlich?«, bemerkte Ines ironisch.
»Ja, bei Juliane.«
Sie sah ihn verblüfft an.
»Damals in der Schule. Sie hat mich verrückt gemacht. Und ich bin hinter ihr hergedackelt wie ein Idiot. Und jedes Mal, wenn ich dachte, ich kann zubeißen, hat sie ganz schnell die Leine wieder lang gemacht.« Thorvald betrachtete Ines. »Du warst übrigens früher auch ganz hübsch, Madam Sadur.«
»Früher?« Sie lachten beide.
»Wenn du nicht so verdammt arrogant gewesen wärst, hätte ich dir auch mal ein Kompliment gemacht«, sagte er.
»Ja, ja. Ich weiß. Darauf bin ich während des Klassentreffens mehrfach angesprochen worden«, erwiderte Ines.
»Ach!«
»Ich weiß nicht, warum das alle gedacht haben. Ich bin eben so.«
»Scheint sich aber gebessert zu haben.«
»War das jetzt ein Kompliment?«
»Nein, nein.« Thorvald zog die Augenbrauen hoch. »Wo denkst du hin?«
»Aber Juliane hat Komplimente von dir bekommen.«
»Ja, und das war der Fehler«, konterte Thorvald.
»Na gut, aber ihr wart ja nie zusammen. Also konntest du sie auch nie verlieren. Der Verlust, das ist der Punkt. Da brennt bei vielen die Sicherung durch.«
»Aber nicht bei Hanna«, sagte Olga, die in diesem Momentaus der Hütte trat und sich auf das Verandageländer setzte. »Er ist eingeschlafen.«
»Bei Benno ist aber was durchgebrannt«, sagte Thorvald. »Und zwar die Hauptsicherung.«
»Ich habe ihn während des Klassentreffens beobachtet, bevor er erfuhr, dass Hanna mit Luis verheiratet ist«, sagte Olga. »Er hatte sich sofort wieder in sie verliebt. Das konnte man sehen.« Sie schaute zur Hütte. »Muss er morgen arbeiten?«
»Bestimmt«, Thorvald stand auf und reckte sich genießerisch. »Die Vorbereitungen für die Ausstellung sind in der heißen Phase. Er hat die Leitung und ist sowieso schon im Hintertreffen. Er muss also dringend morgen ausgeschlafen sein.«
»Wir lassen ihn in Ruhe und wecken ihn morgen rechtzeitig, dann wird er seine Sachen schon
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