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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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Sicherheitszuschlag und nachdem sie die oberenRäume vorsichtig inspiziert hatte, ging sie die Wendeltreppe hinunter. Alles wirkte so verlassen wie zuvor. Olga wollte gerade die Kellertreppe hinabsteigen, als ihr die Papiere auf Julianes Tisch einfielen. Die Taschenlampe stand noch auf dem Boden, wo Olga sie abgestellt hatte, um sich die Schuhe auszuziehen. Die Unterlagen auf dem Schreibtisch waren zerwühlt und deutlich weniger. Und das Blatt, das Olga gesucht hatte, war nicht mehr da.
     
    Olga war bereits eine Weile an der Hauptstraße entlanggegangen. Hier konnte sie problemlos ohne Schuhe laufen. Erst, wenn der asphaltierte Weg der Zivilisation sie in den Wald in Richtung Hütte entließ, wo Wurzeln, Steine und Dornen regierten, würde es schwierig werden. Früher waren sie immer mit nackten Füßen im Wald herumgelaufen. Doch Hornhautraspel und Fußbalsam hatten sie verweichlicht und unbrauchbar gemacht für ein Leben außerhalb der Stadtmauern.
    Das »Luis« war noch geöffnet und gut besucht. Olga hatte sich im Garten einen Platz ganz abseits gesucht. Ihr Rock und ihr helles Top waren über die graugrünen Rosetten der Mauerflechten des Dachs geschrubbt, die Haare waren verschwitzt und unordentlich zusammengebunden und sie war barfuß. Dass sie mit der abgegriffenen Plastiktüte eines Discounters im »Luis« auftauchte, vervollständigte das Bild einer Frau, die mit sich und der Welt abgeschlossen hatte. Die Tüte hatte sie auf der Straße gefunden. Sie enthielt einige schnell zusammengeraffte Unterlagen von Julianes Schreibtisch.
    Alles, was Olga jetzt brauchte, war ein eiskaltes Bier. Sie hielt nach einem Kellner Ausschau, als sie Ines erblickte, die gerade auf die Veranda trat und suchend umherblickte. Olga stand auf und winkte ihr zu.
    »Hier bist du, ich habe dich überall gesucht.« Ines musterte Olga stirnrunzelnd. »Was ist denn mit dir passiert?«
    »Ich habe   … wie soll ich sagen   … eine kleine Privatrecherche durchgeführt. Ich war in Julis Haus.«
    Ines sah sie erstaunt an. »Privatrecherche, so, so.« Dann schüttelte sie den Kopf. »Du weißt, was dir blüht, wenn das rauskommt. Hausfriedensbruch   … hast du etwas mitgenommen?« Ines reckte den Hals, um zu sehen, ob Olga irgendetwas bei sich hatte. Die zeigte wortlos mit dem Finger auf die Tüte, die auf dem Boden lag.
    »Unterlagen   … das ist Diebstahl   …«, fuhr Ines fort.
    »Es muss ja nicht rauskommen. Ich habe kein Polizeisiegel beschädigt, ich bin durchs Kellerfenster eingestiegen. Aber ich war nicht die Einzige, die die Idee hatte, Juliane zu besuchen.«
    »Ach?«, fragte Ines neugierig. »Wer denn noch?«
    Olga hob die Schultern. »Das weiß ich nicht. Ich habe ihn oder sie nicht gesehen. Nur gehört.«
    In diesem Augenblick tauchte Luis auf. Lässig, das Tablett auf fünf Fingern in Schulterhöhe balancierend, machte er einen eleganten Hüftschwung vor ihnen und wedelte mit einem Tuch über den Tisch.
    »Die Damen?«
    Olga sah ihn sauer an. »Na, sieht man dich auch mal wieder?«
    Luis hob die Augenbrauen, als er Olga musterte. Erstaunt ließ er sich auf einen Stuhl fallen. »Wie siehst du denn aus? Bist du durch die Kanalisation gekommen?«
    »Ich habe eine Wanderung zum Bilstein gemacht«, erklärte Olga pampiger, als sie beabsichtigt hatte, »und bin etwas vom Weg abgekommen.«
    »Und woher die schlechte Laune?«, fragte Luis gespielt beleidigt.
    »Ich möchte mal wissen, wo du die ganze Zeit gesteckt hast. Seit Tagen hast du dich nicht blicken lassen   …«
    Luis sah sie mit Unschuldsmiene an, das Tuch lag über seiner Schulter. Plötzlich spürte Olga, dass es nicht nur Luis war, über den sie sich ärgerte. Es war die ganze absurde Situation, in der sie sich mittlerweile befand. Dass sie regelrecht in Julianes Haus eingebrochen war, wurde ihr erst jetzt bewusst.
    Auch Luis war nicht gewillt, darüber zu reden, was er in den vergangenen Tagen unternommen hatte. »Wollt ihr etwas trinken?«, fragte er freundlich.
    Olga seufzte. »Eiskaltes Bier, schockgefrostet!«
    Als Luis mit zwei Gläsern Prosecco zur Überbrückung zurückkam, setzte er sich zu den beiden Frauen. Jetzt sah er ernst und ein wenig traurig aus.
    »Ich war bei Hanna, besser gesagt, ich habe es versucht. Sie will mich nicht sehen.«
    Er legte einen Ring auf den Tisch, den er sich vom kleinen Finger gezogen hatte. »Den hat sie mir nachgeworfen.«
    »Ist doch verständlich, meinst du nicht?« Olga wollte gerade anfangen mit Vorwürfen wie: Was

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