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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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sie jetzt ganz deutlich vor sich in dem Bett liegen. Er auf dem Rücken, rauchend, sie daneben, ihre langen braunen Haare auf dem Kopfkissen und auf seiner Brust verteilt, nach der Zigarette greifend. Beide lachten über irgendwelche Idioten. Für sie waren sowieso
alle
Idioten.
    Olga bemerkte, dass es dunkler geworden war, und begann sich zu ärgern. Sie hatte die Zeit mit Selbstreflexionen vergeudet, statt sie auf die systematische Suche zu verwenden. Und sie durfte unter keinen Umständen Licht machen. Sie ging in das Arbeitszimmer. Hier lagen Berge von Papier, Zeitungen und Büchern herum, doch es war zu dunkel, um darin noch etwas zu erkennen. Da fiel ihr ein, dass sie in der Küche eine Taschenlampe gesehen hatte.
    Im Licht der Lampe bekamen die Dinge eine andere Bedeutung. Alles, was sie beleuchtete, sah plötzlich wichtig und einmalig aus. Sie suchte vorsichtig auf dem kleinen Tisch herum, blätterte in Stapeln von Kopien und ausgedruckten Texten. Dazwischen lagen Fotos, Quittungen und kleine Zettel mit unleserlichen Notizen.
    In dem Augenblick, als Olga glaubte, beim Blättern den Namen Ambach gelesen zu haben, machte unten jemand eine Tür zu. Sofort löschte Olga die Lampe und hatte im selben Augenblick das Gefühl, dass das Klicken der Taschenlampe unten zu hören war. Sie hielt die Luft an, rührte sich nicht vom Fleck. Auch unten war es totenstill. Als Olga wieder wagte, vorsichtig zu atmen, knarrte der Holzboden im Flur. Jemand ging ganz langsam und leichtfüßig umher. Das war nicht die Polizei. Olga bewegte sich noch immer nicht. Wenn jemand jetzt die Treppe heraufkäme, würde Olga ihm schreiend entgegenspringen, diese Starre und die Angst machten sie wahnsinnig. Schweiß lief ihr in die Augen.
    Das Knarren hatte aufgehört. Er oder sie stand und horchte. Doch was noch viel schlimmer war, war dieses andere Geräusch. Es war von Anfang an da gewesen, aber Olga registrierte es erst jetzt, das Scharren von Krallen auf dem Holzboden.
    Wie in Trance ging Olga auf die offene Tür zu, nahm die Klinke in die Hand und betete, dass sie keine Geräusche machte. Das Haus war rundum saniert worden, vielleicht hatte irgendjemand auch die Türklinken und die Scharniere geschmiert. Sie ging geräuschlos zu. Und jetzt? Zu ihrem Leidwesen fehlte der Schlüssel. Olga drehte sich herum und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Es blieb nur das Fenster, das in eine kleine Dachgaube eingelassen war. Das Dach war sehr steil und unterhalb des Fensters keinen halben Meter breit, bevor es in einer losen Dachrinne endete. Und gleich neben dem Haus gähnte der Abgrund.
    Innerhalb weniger Sekunden saß Olga auf dem Fensterbrett, ihre Schuhe hatte sie in der Hand. Wenn der Hund Witterung aufgenommen hatte, war er jetzt schonan der Tür. Als Olga gerade hinausklettern wollte, fiel ihr Blick auf den Stapel Papier, den sie durchgeblättert hatte, als sie die Geräusche vernahm. Sie wollte schnell noch einmal zum Tisch zurückflitzen, doch der Hund schien bereits an der Tür zu sein. Sie hörte ein leises Kratzen.
    Olga hatte es nicht mehr geschafft, das Fenster von außen zu schließen. Zusammengekauert saß sie auf dem Dach, sah, wie der Lichtkegel einer Taschenlampe im Zimmer herumhüpfte. Sie hatte panische Angst, Geräusche zu machen oder einen Dachziegel loszutreten. Zentimeter für Zentimeter kroch sie das steile Dach hinauf.
    Es war bereits einige Zeit vergangen, als Olga plötzlich ein Schreck durchfuhr. Ihre Schuhe. Sie hatte sie auf das Fensterbrett gestellt und dort vergessen. Zu spät.
    Olga schob sich langsam bis zum Giebel vor und hockte sich neben den Schornstein wie eine alte Wetterhexe. Es vergingen zwanzig Minuten und niemand verließ das Haus. Als sie sich gerade wieder abwenden wollte, sah sie im Schein der Straßenlaterne eine Bewegung. Eine Gestalt mit einem großen Hund entfernte sich vom Haus und verschwand rechts die Straße hinunter. Jetzt! Endlich. Gespannt reckte sie den Hals und versteckte sich hinter dem Schornstein, falls sich der Besucher noch einmal umdrehen sollte. Doch nichts geschah. Niemand kam. Und irgendwann beschloss sie, das Haus wieder zu betreten.
    Erst als sie im Zimmer stand, bemerkte sie, dass ihre Schuhe nicht mehr auf dem Fensterbrett standen. Olga war verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Hatte der Eindringling ihre Schuhe mitgenommen? Wozu? Olga stand noch einen Augenblick regungslos da, dann schlich sie zur Tür und horchte. Es war ruhig. Nach einigen Minuten

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