Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget
mein Handy gefunden hat. Standen da vor mir und grinsten. Ich bin nicht geübt im Umgang mit solchen Leuten.« Benno lachte verbittert und hielt sich sofort den schmerzenden Kopf. »›Wo willst
du
denn hin, du Clown?‹ – Als ich höflich antworten wollte, hat mir der Größere gleich eine reingehauen. Rumms! Feuerrot, tiefschwarz. Aus! Und stell dir vor: Man sieht wirklich Sterne! Hätte ich nie gedacht.«
»Bist du sicher, dass du ›höflich‹ warst?« Thorvald kannte das Temperament seines Freundes. Er hatte sich schon als zwölfjähriger Steppke nicht gescheut, einenMotorradrocker die »Reinkarnation eines Würstchens« zu nennen, als dieser ihm den Eingang zur Eisdiele versperren wollte. Vermutlich verstand der nur »Würstchen«, aber das war völlig ausreichend. Benno war der Erste unter Thorvalds Freunden gewesen, dessen rechter Schneidezahn durch eine Porzellankrone hatte ersetzt werden müssen.
»Ist doch jetzt egal, oder? Die wollten auf jeden Fall verhindern, dass ich zum alten Ambach gehe.«
»Wegen des Bildes!«
»Ach, das wusstet ihr?«
»Na, wir waren nicht ganz untätig. Sag mal, hast du das Bild erst entdeckt, als wir bei Vincent gespielt haben?«
Benno nickte. »Ich habe es sofort erkannt.«
»Der alte Ambach. Was glaubst du? – Hat er gewusst, dass sein Gemälde auf der Fahndungsliste der Kunstdetektive steht?«
Benno lachte gequält auf. »Was für eine blöde Frage. Natürlich hat er das gewusst. Das war ja gerade der Reiz. Da geht es doch gar nicht mehr um die Kunst, die eigentlich allen zugänglich sein sollte. Da geht es um Eigennutz … Selbstsucht, um puren Egoismus. Vincent Ambach wollte ein großes Kunstwerk eines großen Künstlers genießen, und das wollte er ganz allein tun. Das ist pure Wollust. Wie Ludwig II., der ganz allein im leeren Zuschauerraum Wagner-Vorstellungen genoss. Ich wollte versuchen, ihn zu überzeugen, dass er jetzt, am Ende seines Lebens, moralisch wieder etwas gutmachen kann, indem er etwas Altruismus an den Tag legt und das Bild zurückgibt.
»Und dass die Nachfahren seines früheren jüdischen Besitzers es dann wieder für zig Millionen an einen arabischenÖlscheich verkaufen«, fuhr Thorvald zynisch fort. »Dann wäre es doch wieder weg!«
Benno zuckte mit den Schultern. »Ich weiß … du hast die Geschichte mit dem Kirchner-Gemälde mitbekommen. Achtunddreißig Millionen Dollar haben die für die ›Berliner Straßenszene‹ gekriegt. Wir müssen seitdem auch um unsere Sammlung fürchten. Aber irgendwo muss man doch ansetzen. Ich wollte mit dem Alten ja erst mal nur reden.«
Thorvald schüttelte langsam den Kopf und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Aber was wollten Roberts Typen von dir?«
Benno richtete sich ein wenig auf und versuchte, sich nach vorne zu beugen, als würde in dem leeren Bett neben ihm einer liegen, der sein Geheimnis nicht mithören durfte.
»Zu deiner Frage von eben, ob das Bild echt sei: Mein Vater war vorhin hier. Und weißt du, was der mir erzählt hat?«
Thorvald hob die Schultern. Er musste wieder an die kurze Unterredung mit Konrad vor seinem Atelier denken und daran, dass er nicht besonders gesprächig gewesen war.
»Er sagte«, fuhr Benno fort, »du hättest ihn nach dem Ruisdael gefragt. Du wolltest wissen, ob dieses Gemälde, oder sagen wir besser, seine Kopie, unter den gestohlenen Bildern war.«
»Konrad verneinte.«
»Richtig. War es auch nicht. Es wurden drei Impressionisten geklaut, an denen er eine Ewigkeit gearbeitet hat. Ein van Gogh, ein Renoir und ein Liebermann. Aber …«, er hob den rechten Zeigefinger und die Augenbrauen, so weit es ihm möglich war, »… den Eichenwald von Ruisdaelhat er ein knappes Jahr zuvor an einen Geschäftsmann aus Hamburg verkauft! Ein Auftragswerk! Gegen exzellente Bezahlung!«
Benno saß triumphierend in seinem Bett, und sein in allen Farben schillerndes Gesicht strahlte vor Freude über seine Erkenntnisse.
»Ja. Und?«
»Mensch, Thor, denk doch mal nach! Hamburg! Ich weiß nicht, was das für ein Vogel war, der das Bild gekauft hat, und wie die beiden Typen aus Hamburg in seinen Besitz gekommen sind. Aber ich bin mir sicher, dass die das Bild gegen Vincents Original eintauschen wollten!«
»Das ist wahrlich ein guter Grund, dich auszuschalten.«
»Tja. Aber hat man mich mal an der Backe, wird man mich so leicht nicht los.« Benno lächelte traurig. Thorvald wusste, dass er in diesem Moment an Hanna dachte.
»Die kommen nicht weit. So viel
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