Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
Vom Netzwerk:
angerufen.«
    »Und?«
    »Also, ich versuche, die Geschichte zusammenzukriegen: Heinrich Hagenberg, von Beruf Betriebswirt, keine Kinder, ledig. Hobbys: schnelle Autos. Mit seinem Porsche ist er ziemlich erfolgreich Rennen gefahren.«
    »Ruben hatte auch einen«, wandte Olga ein. »Und vorhin habe ich einen ganz ähnlichen gesehen.«
    »Hagenberg hatte sich tatsächlich einige Dokumente bei der Botschaft beglaubigen lassen«, fuhr Ines fort. »Er wollte nach Paraguay.«
    »Da würde ich jetzt auch gern hin.« Olga schaute auf ihre Uhr. Sie war nervös. Warum blieb ihr Vater so lange fort? »Er
wollte
nach Paraguay. Und ist er aufgebrochen?«
    »Das weiß man bei der Botschaft nicht. Er hat die notwendigen Formalitäten nicht eingehalten. Er hätte nach einer gewissen Zeit eine Daueraufenthaltserlaubnis beantragen müssen.«
    »Hat er aber nicht.«
    »Nein. Sag mal, Olga   … weißt du irgendetwas über den Unfall deines Onkels?«
    Olga zuckte die Schultern. »Nur das, was ich dir erzählt habe.«
    »Na, du warst ja auch erst zehn«, erwiderte Ines.
    »Warum fragst du? Was ist mit dem Unfall?«
    »Anne ist da auf ein paar Ungereimtheiten gestoßen.«
    »Ihr habt euch mit Rubens Unfall beschäftigt?«, fragte Olga verwundert.
    »Und da bemängelte ein   … ich finde den Namen jetzt nicht   … auf jeden Fall hatte sich damals ein Gutachter beschwert, dass der Unfall nicht richtig untersucht wurde.«
    »Meinst du, es war gar kein Unfall?«, flüsterte Olga. Sie schluckte. Tränen schossen ihr in die Augen. Plötzlich gab es kein Halten mehr. »Mein Großvater ist vorhin gestorben.«
    Einen Augenblick war es still am anderen Ende.
    »Was ist denn passiert?«
    »Ich war gerade bei ihm. Er war gestürzt und hatte sich den Kopf angeschlagen. Ich weiß nicht, ob er daran gestorben ist   … aber   …«
    Ines machte eine lange Pause. »Bist du traurig?«
    »Es ist seltsam. Nein, ich bin traurig und wütend. Sie hat mich wieder nicht an ihn herangelassen.«
    Olga hörte plötzlich, wie im Haus Glas zu Bruch ging.
    »Ines? – Ich melde mich gleich noch mal.«
    Sie warf das Telefon auf die Liege, erhob sich und ging langsam in Richtung Haus. Die Terrassentür war angelehnt. Als sie vorsichtig ins hell erleuchtete Wohnzimmer trat, spürte sie, dass die Stille eine Bedrohung in sich trug. Sie schaute sich um. Es war niemand da. Langsam ging sie weiter in den Flur. Glas knirschte unter ihren Füßen. Jemand hatte die Scheibe des Waffenschranks eingedrückt, eines der Jagdgewehre war nicht mehr da.
    Olga drehte sich einmal um die eigene Achse. »Thor? Bist du hier?«
     
    Vor dem Haus ihres Großvaters stand der Leichenwagen mit geöffneten Hecktüren. Die Leichenbestatter trugen den Sarg gemessenen Schrittes heraus.
    Elise stand mit geröteten Augen an der Tür. Olga nahm ihre Hände und hielt sie einen Moment.
    »Elise, ist mein Vater hier?«
    »Er war hier. Frau Himmelreich hatte ihn verständigt. Aber er hatte einen seltsamen Anruf   ….« Sie sah auf die Uhr. »Vor ungefähr einer Viertelstunde ist er weggegangen.«
    »Wohin denn? Er ist nicht zu Hause, von dort komme ich eben.«
    »Er hat mir nichts gesagt.« Elise hob den Arm und zeigte hinter Olga in den Wald. »Er ist in diese Richtung gelaufen.«
    Olga drückte noch einmal Elises Hände. Dann drehte sie sich um und ging die Auffahrt hinab. Der Wagen mit dem Sarg ihres Großvaters stand noch vor dem Haus. Der Fahrer wartete, bis Olga vorbeigegangen war, dann setzte er sich langsam in Bewegung. Olga blieb noch einmal stehen und schaute auf die grau getönten Scheiben.
    »Es tut mit leid, Vincent   … Großvater. Ich bin zu spät gekommen.«
    Nein, sie würde nicht aufgeben. Sie wollte diese Geschichte vollends aufklären. Egal, was dabei herauskommen würde. Vincent hatte sie um etwas gebeten. Und dafür musste sie alles andere vergessen. Vor allem musste sie die Gedanken an Thorvald abschütteln.
    Es gelang ihr nur nicht, diese ganz besondere, reine Leere im Kopf zu erzeugen. Wie beim Bogenschießen. Sogar den Wunsch, das Ziel zu erreichen, musste sie vergessen. Nur dann würde sie ins Schwarze treffen.
    Sie ging den Hohlweg entlang, der hinunter zum Seeführte. Trotz der Dunkelheit konnte sie zwischen den Stämmen der Bäume das Wasser erkennen. Sie ging langsam auf die dunkle Fläche zu. Olga konnte den See mehr riechen als sehen. Die Luft roch frisch, nach Feuchtigkeit, nach Erde und Gras. Undeutlich sah sie den dunklen Umriss des Steges, der in der Luft zu

Weitere Kostenlose Bücher