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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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besserwisserische Art, «weißt du nicht, dass du einen Zehner brauchst, um ihn loszumachen?»
    «Selbstverständlich weiß ich das», blafft Evelyn zurück.
    «Sieh mal, so», sagt Aslaug, die bereits die Geldbörse gezückt hat und ein Zehnkronenstück herauskramt.
    «Also, dann leg ihn schon ein.»
    Aslaugs dicke Finger umklammern den Zehner.
    «Willst du nicht vorher ins Seniorenzentrum mitkommen?»
    «Tut mir leid, keine Zeit.»
    «Nicht mal für eine frischgebackene Waffel?»
    «Ich habe keine Zeit für so einen Unsinn!»
    «Also weißt du», sagt Aslaug.
    Evelyn holt tief Luft. Nein, sie wird nichts verraten. Aslaug würde alles kaputtmachen, würde sich in ihre Pläne einmischen, hätte zu allem einen Kommentar. Außerdem würde sie jedem, der ihr über den Weg läuft, davon erzählen. Und doch – eigentlich hat sie sich auf diesen kleinen Triumph gefreut. Es ihr unter die Nase zu reiben. Dass sie
auch
jemanden hat. Und dass sie kommen werden.
    «Was ist denn los mit dir, Evelyn?», fragt Aslaug.
    «Ich bekomme Besuch.»
    Aslaug starrt sie an. Dieser ungläubige Blick ist nicht auszuhalten.
    «
Du
kriegst Besuch?»
    «Ja, stell dir vor», sagt Evelyn trotzig und richtet sich auf, sieht ihr fest in die Augen, ohne zu blinzeln.
    «Und von wem, wenn ich fragen darf?»
    «Wilhelm.»
    «Wilhelm? Das ist ja wunderbar!»
    Aslaugs Gesicht zerfließt zu einem Lächeln. Evelyn schafft es nicht, zurückzulächeln. Ihr scheint jetzt schon alles verloren. Verloren, weil das Geheimnis gelüftet, die Magie gebrochen ist.
    «Er kommt morgen.»
    «Na, dann kann ich mir denken, dass du noch genug zu tun hast», sagt Aslaug. Sie legt den Zehner in das Schloss des Einkaufswagens, zieht ihn heraus und schiebt ihn zu ihr hin. «Da hast du sicher viel zu besorgen. Ich helfe dir beim Einkaufen.»
    «Nein danke.»
    «Kräftige, erwachsene Männer wollen ordentlich was zu beißen haben.
Meine
Söhne …»
    «Ja, ja!»
    «Du musst für jeden Tag ein ganzes Brot rechnen. Und er wird wahrscheinlich mindestens vier Kartoffeln zu Mittag essen. Kauf anderthalb Kilo, die reichen für drei Tage.»
    Evelyn sieht Aslaug direkt in die Augen. «Ich will keine Kartoffeln.»
    «Du willst keine Kartoffeln einkaufen?», ruft Aslaug bestürzt.
    «Es gibt Schnittchen», knurrt Evelyn.
    «So, na», sagt Aslaug.
    Evelyn entgeht nicht, dass Aslaug heimlich die Augen verdreht.
    «Na ja, warum nicht. Schnittchen sind ja … leichte Kost.»
    «Genau!»
    «Aber wie willst du das alles transportieren?»
    Evelyn dreht sich wortlos um und geht, so schnell sie kann, mit dem Einkaufswagen in den Laden. An der Fleischtheke bleibt sie schließlich stehen und verschnauft. Wirft einen Blick zurück. Gott sei Dank, offenbar hat sie es geschafft, sie abzuschütteln.
    Was ist denn verkehrt an Schnittchen? Wer hat gesagt, dass ein Abendessen unbedingt warm sein muss? Sie wendet sich der Fleischauslage zu. Und was für ein Glück, da liegt doch das Roastbeef direkt vor ihrer Nase. Sie nimmt zwei Pakete, legt sie in den Wagen. Geht weiter, findet den Räucherlachs. Sie wiegt die Packung in der Hand. Den wird er wohl mögen. Oder? Was isst Wilhelm eigentlich gerne? Sie erinnert sich nicht. Weiß nur noch, was er
nicht
mochte. Haferschleim und Grützwurst. Er weigerte sich, die gebratenen Heringe zu essen. Aber er
musste
es. Alle müssen das. Er durfte nicht eher vom Tisch aufstehen, bis der letzte Krümel aufgegessen war.
    Aber jetzt soll er bekommen, was ihm schmeckt. Und weil sie nicht genau weiß, was das ist, muss sie viele verschiedene Sachen kaufen, von allem etwas. Sie entdeckt einen großen Becher tafelfertiger Krabben. Zitrone, Butter, Mayonnaise und Petersilie in einem Topf. Das hat sie vorher noch nie gekauft, aber jetzt lässt sie sich nicht lumpen. Sie legt zwei vorgeschnittene Brotlaibe in den Wagen. Zwei Brote! Was für eine unvorstellbare Menge!
    Am Ende des Regals sind schöne, imposante Turmkuchen aufgestellt. Kann es sein, dass schon Konfirmationszeit ist?
    Blitzartig sieht sie Wilhelms Konfirmation vor sich. Da gab es keinen Turmkuchen. Es gab überhaupt keinen Kuchen. Denn er war ungezogen gewesen, hatte irgendetwas angestellt. Sie weiß nicht mehr genau, was. Aber es muss etwas Schlimmes gewesen sein, denn sie hatte ihm auch das Geschenk gestrichen.
Daran
erinnert sie sich. Sie hatte beschlossen, ihm den Geldumschlag nicht zu geben, sondern sich davon einen neuen Hut und ein hübsches Kleid zu kaufen. Ach was. Sie schüttelt den Kopf, schüttelt es

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