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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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erinnert sich gut daran. Viel zu gut. Wie oft ist sie es im Kopf durchgegangen und hat herauszufinden versucht, ob sie etwas falsch gemacht hat.
    Zuerst hat Wilhelm sich unverschämt betrunken, um sie dann vor ihrer Schwiegertochter zu demütigen, dieser blassgesichtigen, verzagten Elise, und dann hat er den Jungen zu Tode geängstigt. Schon vor dem Essen hatte er den Kleinen zu schlechtem Benehmen ermuntert. Hatte ihn beinahe angetrieben, als er am Bücherregal hochklettern wollte. Und als sie am Tisch saßen, hatte der Junge den Löffel in seinen Brei gesteckt und wieder hochgerissen, sodass alles an die Wand und über die Tischdecke spritzte. Nicht nur einmal, sondern mehrere Male. Wilhelm hatte nur darüber gelacht, während die Bleichgesichtige halbherzig versuchte, das Kind davon abzuhalten. Später, als sie am Kaffeetisch saßen und Kuchen aßen, war es fast, als forderte er den Jungen auf, an der Tischdecke zu ziehen, um zu sehen, was passierte. Es endete natürlich damit, dass das Service klirrend zu Boden fiel. Große Kaffeeflecken auf dem persischen Teppich. Und zwei der schönsten Porzellantassen zerbrachen in tausend Scherben.
    Zu dem Zeitpunkt war sie bereits auf hundertachtzig, und sie hatte das Kind am Arm gepackt, um ihm eine Lektion zu erteilen. Aber da bekam Wilhelm einen ganz irren Blick und setzte ein krankes Lächeln auf, während er eindringlich auf den Jungen einredete. Glaubst du, sie ist eine richtige Großmutter? Schau sie dir an. Sie ist eine Hexe. Ein Trollweib. Siehst du nicht, wie hungrig sie ist? Wenn du nicht artig bist, wird sie dich fressen. Oder dich in einen Stein verwandeln. Der Junge schrie natürlich wie am Spieß.
    Danach hatte sie die drei nicht wieder eingeladen. Wilhelm lud sie auch nicht mehr ein. So verging wohl ungefähr ein Jahr, dann zogen sie weg. Und das war’s. Kein Kontakt. Nur Ansichtskarten in der Schachtel, aber das ist ja nichts. Er hat auf keinen einzigen Brief geantwortet.
    «Du hast ihn in einer Fernsehserie gesehen und glaubst, dass er Wilhelm ähnlich sieht. Ein bekannter schwedischer Schauspieler. Evelyn, meine Liebe, ich bitte dich.»
    «Er ist es! Er
wird
kommen! Sie kommen alle beide!»
    Evelyn steht das Wasser in den Augen. Sie weiß ja, dass er nicht kommt. Niemand kommt. Alles Unsinn.
    «Evelyn, ich wollte dir das schon lange mal sagen.»
    Aslaug holt tief Luft, ehe sie weiterspricht.
    «Vielleicht solltest du darüber nachdenken, runter ins Heim zu ziehen.»
    «Was sagst du da?!», schreit Evelyn.
    «Bevor es zu spät ist. Da hast du dein eigenes Zimmer. Jemanden, der für dich aufräumt und wäscht.»
    «Ich komme sehr gut allein zurecht!»
    «Nein, das tust du nicht mehr, finde ich. Es gibt niemanden, der kommt und nach dir sieht. Außer mir, natürlich.»
    «Du brauchst nicht zu kommen. Wirklich nicht!»
    «Tja, lange schaffe ich es wohl auch nicht mehr den Berg hinauf.»
    «Uns geht es ganz wunderbar, Polly und mir!»
    «Dann komm wenigstens ins Seniorenzentrum.»
    «Was soll ich denn da? Mich mit Waffeln vollstopfen und genauso dick werden wie du? Mir das ganze Gekakel anhören? Als würdest du mir nicht schon reichen mit deinem Geschwätz und Genörgel!»
    Jetzt, wo sie so richtig in Fahrt gekommen ist, will sie nicht mehr aufhören.
    «Tatsächlich habe ich dich so gründlich satt, dass du dir keinen Begriff davon machst! Deine ganzen dämlichen Fotos! Als würde mich deine idiotische Familie interessieren! All das Gesabbel, das ich mir über sie anhören muss!»
    Aslaug starrt sie entgeistert an, ehe sie sich endlich besinnt und vom Sofa aufsteht.
    «Nein, nein», sagt sie und bewegt sich schwerfällig Richtung Haustür. Schwerfällig und traurig. Aber davon lässt Evelyn sich nicht beeindrucken. Endlich kann sie einmal Klartext reden.
    «Nein, nein», sagt Aslaug wieder, bevor sie die Hand auf die Türklinke legt und sie mit ihren kleinen Augen anstarrt.
    «Was ist?», schnauzt Evelyn.
    «Ich dachte schon, es hätte einen anderen Grund, warum du nicht ins Seniorenzentrum kommst.»
    «Welcher sollte das wohl sein», bellt Evelyn. Aber sie merkt, dass die Stimme zittert, dass sie ein wenig unsicher klingt.
    «Es wird schon manchmal ein wenig geredet da unten. Über dich und deinen Sohn.»
    «Klatschweiber!»
    «Alle wissen ja, warum er nicht wieder nach Hause kommt.»
    «Ach ja? Wissen sie das?»
    «Uns war schon klar, dass er von den anderen Kindern verhauen wurde, weil er ein Deutschenkind war. Aber von seiner eigenen Mutter? Na, weißt

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