Der Wald wirft schwarze Schatten
den alten Häusern anschauen?»
«Da gibt es doch nichts zu sehen.»
«Das wissen wir doch erst, wenn wir nachgesehen haben. Und wenn wir anhalten, kannst du außerdem rauchen.»
Das funktioniert fast immer.
«Wir halten am nächsten Haus, ja?»
«Okay», sagt Papa schließlich.
Es dauert nicht lange. Schon hinter der nächsten Kurve taucht ein graues altes Haus in einem verwilderten Garten auf.
Papa fährt an die Seite und stellt den Motor aus. Lukas öffnet die Autotür und läuft hinüber zum Haus. Das gelbe Gras steht dicht und ist beinahe ebenso hoch wie er. Im Garten wachsen ein paar alte Beerensträucher und ein großer Apfelbaum. Lukas pflückt einen Apfel vom untersten Ast und schlägt die Zähne hinein.
«Der ist vielleicht lecker, Papa. Probier mal!»
Papa winkt ihm, zündet sich eine Zigarette an, lehnt sich gegen den Wagen und raucht. Lukas läuft eine Runde um das Haus, ehe er sich einem der Fenster nähert. Es ist zu weit oben, er kann nicht hineinsehen.
«Du musst mich hochheben!»
Papa kommt zum ihm herüber und hebt ihn hoch. Sie schauen in eine graue Küche mit einem altmodischen Herd. In der Ecke ist ein einsames Waschbecken, davor stehen ein Tisch und ein paar Stühle, weiter nichts.
«Warum ist hier niemand?», fragt Lukas.
«Wer weiß. Vielleicht hat es hier keine Arbeit gegeben. Oder vielleicht waren sie zu alt.»
«Ihre Kinder könnten doch hier wohnen.»
«Es wohnen nicht mehr viele Leute an Orten wie diesen.»
«Warum nicht?»
«Weil sich alles verändert.»
«Warum muss sich denn alles verändern?»
Papa denkt nach.
«Die Zeit vergeht, und plötzlich ist alles anders. Man wird größer und lernt neue Dinge. Und dann verändert man sich, und so geht die Geschichte weiter.»
«Aber du und Mama, ihr verändert euch nicht.»
Papa seufzt und setzt ihn wieder ab. Sie gehen zurück zum Auto.
«Oder?»
«Steig ein, die Sonne steht schon ziemlich tief.»
«Es ist doch mitten am Tag, Papa.»
«Aber es wird früh dunkel. Wir müssen auch noch etwas einkaufen. Weißt du noch, was?»
«Einweggrill und Würstchen. Und Streichhölzer, weil du nur noch eins hattest. Und das hast du jetzt verbraucht.»
«Du passt gut auf.»
«Ich kriege alles mit, Papa.»
Sie steigen wieder ins Auto, schließen die Türen und gleiten zurück auf die Straße.
«Papa, kannst du mir was über den Weltraum erzählen?»
«Was willst du denn wissen?»
«Erzähl mir was über die Sonne. Warum sie leuchtet.»
«Weil sie brennt. Die ganze Zeit.»
«Verbrennt sie denn nicht?»
«Irgendwann schon.»
«Und wann?»
«In Millionen von Jahren.»
«Dann wird es aber dunkel hier! Aber wir merken das nicht, oder? Wir sind dann ja schon lange tot.»
«Das stimmt.»
«Die Sonne ist ein Stern», sagt Lukas.
«Ja.»
«Und das Licht bewegt sich schnell.»
«Wahnsinnig schnell. Aber die Sterne sind so weit weg, dass ihr Licht eine Ewigkeit braucht, bis es bei uns ankommt. Viele der Sterne, die wir sehen, sind schon längst verloschen.»
«Aber die Sonne nicht.»
«Nein, die nicht.»
«Manchmal explodieren Sterne auch. Und das nennt man dann Supernova, oder, Papa?»
«Genau.»
«Und manchmal werden sie von schwarzen Löchern gefressen.»
«Scheint so.»
Sie schweigen einen Moment.
«Heute Nacht werden wir mehr Sterne sehen als zu Hause», sagt Papa.
«Warum das denn?»
«Im Wald ist es so dunkel, da wird es in der Nacht ganz schwarz. Und dann kann man die Sterne sehr deutlich erkennen.»
«Cool.»
Papas Finger krallen sich so fest um das Lenkrad, dass seine Knöchel weiß werden. Er macht ein angespanntes Gesicht.
«Was ist denn, Papa?»
Papa starrt auf die Straße.
«Hast du Angst?», fragt Lukas.
«Angst? Nein.»
«Wir wissen ja, dass das schwarze Loch nicht in der Nähe ist, auch wenn es dunkel wird.»
«Natürlich.»
«Wenn nämlich das schwarze Loch hierherkommen würde, wüssten wir gar nichts mehr. Dann würden wir verschwinden.»
Lukas schaut in den Wald, an dem sie vorbeifahren. Ob dort wilde Tiere sind? Irgendwelche Menschen? Ob hier der Taschenmann wohnt? Versuch ruhig, uns zu kriegen. Versuch uns einzuholen, du dummer Taschenmann. Wenn du es schaffst, verprügelt Papa dich. Er macht dich platt. Lukas starrt angestrengt hinaus, aber er sieht niemanden.
«Papa, sollen wir spielen, das Auto wäre ein Raumschiff?»
«Okay.»
«Dann bin ich Luke Skywalker.»
«Und ich bin Darth Vader.»
«Das geht nicht, Papa.»
«Warum denn nicht?»
«Weil Luke und Darth Vader nicht das
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