Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
Vom Netzwerk:
gleiche Raumschiff steuern können. Sie sind Todfeinde. Das weißt du doch. Du musst Han Solo sein.»
    Aber Papa kümmert das nicht. Ihn kümmert nie etwas. Er will
unbedingt
Darth Vader sein, und darum atmet und zischt er, verstellt seine Stimme und spricht wie immer tief und lustig.
    «Luuuuke, I am your father», sagt er schließlich und stupst Lukas in die Seite.
    «Nooooo!», ruft Lukas und lacht so sehr, dass er sich fast in die Hose macht.
    Hat der Wald dich dazu gemacht? Waren es die Bäume, die mit ihren langen, verschlungenen Ästen in dich eingedrungen sind? Haben sie sich in deinem Inneren ausgebreitet, sich mit stechenden Stängeln, verwachsenen Wurzeln unter einem Netz aus Zweigen und dichtem Blattwerk verschworen? Gewächse, die sich über die hellen Flecken hergemacht und den letzten Rest Sonne geschluckt haben. Du hast sie abgehackt, weggesperrt, herausgerissen, aber sie kamen immer wieder, sprossen mit neuen scharfen Trieben aus den alten Wurzeln.
    Wo die Bäume zu eng beisammenstehen, sind die Stämme dünn. Und wo Steine statt Erde sind, liegen die Wurzeln oberirdisch. Sie liegen da wie Stolperdrähte. Kein Wunder, dass Bäume umfallen. Dass sie im Wind umstürzen. Weißt du noch, wie es war, als sie nur halb fielen? Der tote Baum traf den nächsten Baum, blieb schräg dagegen gelehnt stehen, bis alle Nadeln abgefallen waren und sich aufgelöst hatten. So hätte er dort eine Ewigkeit stehen und im Wind knarren können, ehe er ganz umfiel.

[zur Inhaltsübersicht]
    15
    Wilhelm öffnet den Koffer, sucht Wanderhose, Bergstiefel und Goretex-Jacke heraus, zieht die dunklen Sachen an. Schlafsack, Wollpullover und Stirnlampe packt er in den Rucksack und nimmt die Brieftasche und seinen Pass aus dem Koffer, steckt beides in die Innentasche seiner Jacke. Greift zum Gürtel mit der Waffe und den Patronen, schnallt ihn sich um. Er geht ins Bad, holt Rasierzeug und Zahnbürste, legt die Sachen in den Koffer, bevor er sich ein letztes Mal im Hotelzimmer umsieht. Bett, Lehnstuhl, Schreibtisch, Fernseher. Er hätte hierbleiben können. Auf dem Bett liegen, fernsehen, eine Flasche Whisky trinken. Hierbleiben, wofür? Er nimmt Koffer und Reisetasche, legt die Hand auf die Türklinke, geht hinaus, bezahlt an der Rezeption, dann fährt er mit dem Lift in die Tiefgarage.
    Es dauert eine Weile, sich an die Gangschaltung zu gewöhnen. Aber ansonsten funktioniert der Leihwagen, ein schwarzer Honda Civic, tadellos. Er passiert das neue Opernhaus, folgt der Beschilderung, hält sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung im Hafengebiet, das ein fremdes, nicht mehr wiederzuerkennendes Land geworden ist, bis er die Schweigaards Gate und weiter oben die Oslogate erreicht. Im Vorüberfahren wirft er einen Blick auf das baufällige Haus, in dem seine erste eigene Wohnung war. Da hat er gewohnt, als er seinen ersten Job in der Fabrik hatte. Bevor er Elise kennenlernte.
    Von der Wohnung hatte man eine gute Aussicht, fast dieselbe wie vom Wohnzimmer zu Hause. Er war nur ein bisschen näher am Geschehen dran. Vom Küchenfenster aus konnte er den Hafen, die Bahngleise und das Autobahnkreuz sehen. Die Dänemarkfähre, die schneeweiß und behäbig jeden Morgen um neun hereinkam und jeden Nachmittag um fünf wieder ablegte. Er sah die Autos über die Schnellstraße strömen, konnte ihnen mit dem Blick den Mosseveien entlang folgen, bis sie in den Lichtschimmer am Grønlikai eintauchten und hinter den Landungsbrücken verschwanden. Er sah die Züge aus dem Ostbahnhof rollen und in den Tunnel unter ihm einfahren. Dann vibrierte es in seiner Wohnung, und der Kaffee in den Tassen auf dem Tisch kräuselte sich ein wenig.
    Er arbeitete in derselben Schokoladenfabrik wie seine Mutter, traf sie aber selten. Er holte Waren aus dem Lager und transportierte sie zu den wartenden Lastwagen. Das Beste an dem Job waren die Pausen, besonders im Sommerhalbjahr, wenn der Park geöffnet hatte. Dort blühte alles so schön. Krokusse, Lilien und Tulpen im Frühling, Rosen im Sommer und bis in den Herbst hinein. Goldgelbe, feuerrote, cremeweiße, zartgelbe. Manchmal ging er zum Gärtner und fing ein Gespräch mit ihm an, bevor er wie zufällig eine Blumenzwiebel aus seinem Kasten nahm und sie in die Erde steckte.
     
    Er biegt von der Konows Gate ab, schaltet in den zweiten Gang, zwingt das Auto die Ribbunggata hinauf und parkt vor dem Gartenzaun. Er steigt aus und bleibt einen Moment an der Pforte stehen. Abgesehen von dem verwilderten Garten sieht das Haus

Weitere Kostenlose Bücher