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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Gardinen mit Rautenmuster, anscheinend aus irgendeiner Art Kunstfaser, haben sich teilweise aufgelöst. Neben dem Fenster hängt ein Bild von einem Elch im Sonnenuntergang und über dem Bettsofa eine abstrakte Ölmalerei in Rot, Schwarz und Gelb – der einzige Gegenstand, der nicht so eindeutig zeitlich einzuordnen ist. Eigentlich ganz schön, denkt Robert und beschließt, das Bild mitzunehmen, wenn sie gehen.
    In der Ecke, in krassem Kontrast zur verschlissenen Tapete, hängt ein Obstkorb mit künstlichen Äpfeln, Orangen, Trauben und Bananen in unverändert frischen Farben. Robert verspürt den irrationalen Drang, eine der Plastiktrauben abzupflücken und sie in den Mund zu stecken.
    «Kann man das Obst essen, Papa?»
    «Nein», sagt er, «das ist aus Plastik.»
    Auf dem kleinen Tisch liegt eine Decke. In der Mitte steht ein Keramikleuchter. Die Kerze ist von den Temperaturschwankungen verbogen. Zu beiden Seiten des Keramikleuchters stehen verstaubte Biergläser. Ein Korbstuhl ist ordentlich an den Tisch geschoben, der andere liegt umgekippt auf dem Boden, ebenso ein kleiner Topf.
    «Glaubst du, die Leute, die hier gewohnt haben, sind schnell abgereist?»
    «Genau das habe ich mich auch gerade gefragt. Sie scheinen es ganz schön eilig gehabt zu haben. Und sie sind nie mehr zurückgekehrt.»
    Robert hebt den Topf auf und stellt ihn auf den Tisch. Der Boden ist von etwas Graubraunem bedeckt, was einst vielleicht etwas Essbares war. Als er den umgekippten Stuhl aufstellt, spürt er, wie sich Unbehagen in seinem Magen ausbreitet.
    «Ich habe Hunger», sagt Lukas.
    «Wir essen, wenn wir wieder am Auto sind.»
    «Aber du hast doch gesagt, dass wir essen, wenn wir angekommen sind.»
    «Wir können hier doch nicht bleiben, Lukas. Hier drinnen ist alles völlig verschimmelt. Es ist ekelig.»
    «Also ich finde es toll. Außerdem können wir ja draußen essen! Wir grillen Würstchen und machen ein Lagerfeuer! Genau wie im Kindergarten, als wir zu dem Lavvo-Zelt gegangen sind.»
    «Wir können hier im Wald kein Lagerfeuer machen.»
    «Warum nicht?»
    «Es ist zu trocken. Das stand im Internet. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass selbst der Einweggrill keine besonders gute Idee ist.»
    «Warum hast du denn dann einen gekauft?»
    Robert seufzt. «Tja. Ich habe wohl nicht richtig nachgedacht.»
    Lukas lässt sich auf das Bettsofa fallen, auf die feuchte Decke mit den Schimmelflecken. «Ich habe Hunger!»
    Das Kind braucht etwas zu essen, das ist klar. Vielleicht können sie den Einweggrill in den Kamin stellen?
    «Wir essen eine Kleinigkeit, und dann machen wir uns auf den Rückweg. Wie wäre das? Abgemacht?»
    Er öffnet den Rucksack, packt die Würstchen und den Grill aus und stellt ihn in die Feuerstelle. Bestimmt sind mindestens fünfzehn Vogelnester im Schornstein, aber was soll’s? Wenn die Hütte voll Qualm ist, gibt es jedenfalls noch einen weiteren guten Grund aufzubrechen. Er nimmt die Streichholzschachtel und kramt in den Streichhölzern.
    «Verdammte Scheiße.»
    «Was ist denn?»
    «Alle abgebrannt.»
    «Hab ich doch gesagt. Du darfst eben nicht so viel rauchen, Papa.»
    Denselben Gedanken hatte er wohl auch, als er an der Tankstelle stand und darauf verzichtete, Streichhölzer zu kaufen. Nicht, dass er Kettenraucher wäre, aber während der Proben waren es doch eine ganze Menge Zigaretten geworden. Die Raucherpausen waren die einzigen Unterbrechungen, die der verflixte Regisseur tolerieren konnte. Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Wenn er jetzt etwas wirklich brauchen könnte, dann eine Kippe. Außerdem Feuer für den verdammten Grill.
    «Ist doch egal», sagt Lukas. «Dann essen wir sie eben so.»
    «Nein», sagt Robert. «Das geht nicht.»
    «Vielleicht gibt es hier ja irgendwo Streichhölzer, Papa?»
    Wieder spürt er das Unbehagen in sich aufsteigen, als er zu suchen beginnt. Er holt tief Luft und öffnet den Schrank unter dem Fenster, verschafft sich einen Überblick über den Inhalt. Ein paar klobige alte Küchenwerkzeuge aus Holz. Ein Teeservice verziert mit hellroten Rosen, ein Marmeladenglas mit Salz, ein weiteres mit einer unbestimmbaren Flüssigkeit, die vielleicht einmal Zucker gewesen ist. In einem leeren Plastikbecher liegen ein paar Fliegenkadaver. Er sucht im Regal am Kamin und in dem danebenstehenden Korb mit Holz und Papier zum Anzünden. Keine Streichhölzer. Robert hebt eine vergilbte Zeitung hoch – Dagbladet in großem Format.
Gestern starb der King
steht auf der

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