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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Die ist wie du. Wie ich? Sie hat dieselbe Farbe wie deine Haut. Und diese ist wie deine Lippen. Und dann würde er sich über sie beugen und sie küssen. Sie würde seinen Kuss erwidern.
    Im Park stand eine fünfhundert Jahre alte Eiche und darunter eine Bank. Dort setzte er sich hin, um Briefe an sie zu schreiben. Als könnte ihn die uralte Weisheit des Baumes durchdringen und in die Zeilen einfließen und das, was er schrieb, wahr werden lassen.
    Was geschehen ist, tut mir so leid. Ich begreife nicht, was in mich gefahren war. Ich liebe dich doch. Denke die ganze Zeit an dich, ich kann nicht anders. Denkst du auch an mich? Kannst du mir vergeben? Kannst du nicht kommen? Bitte. Komm. Ich werde so etwas nie wieder tun. Niemals wieder. Es wird nicht mehr vorkommen.
    Er schrieb mehrere Briefe und bekam keine Antwort. Aber nach einem halben Jahr, völlig ohne Vorwarnung, tauchte sie plötzlich bei ihm auf.
     
    Es kam nicht oft vor, dass jemand an die Tür seines möblierten Zimmers klopfte. Aber an diesem Sonntagabend passierte es. Er öffnete und starrte sie verblüfft an.
    «Elise?», bekam er schließlich heraus, ehe ihm ein glückliches Lachen entschlüpfte.
    Sie lächelte nicht.
    «Ich hätte nicht gedacht, dass du …»
    Sie wandte den Blick zur Seite.
    «Bist du wirklich den ganzen langen Weg hierhergekommen?»
    «Sonst wäre ich ja nicht hier.»
    Das war der Moment, als sie den Bauch hervorstreckte. Unglaublich, dass er ihn nicht sofort bemerkt hatte, denn er war so groß wie ein Basketball.
    «Es ist von dir.»
    «Von mir?»
    «Kann ich nicht reinkommen?»
    «Natürlich!»
    Er nahm ihre Reisetasche, bat sie herein. Sie setzte sich schwerfällig aufs Sofa. Er blieb stehen und betrachtete sie. Lächelte und schaute sie an. Sie ist hier. Sie ist gekommen. Sie sitzt auf meinem Sofa.
    Jetzt konnte er ihr den Rosengarten doch noch zeigen. Am nächsten Tag nahm er sie an die Hand, führte sie durch die Reihen, erzählte von den verschiedenen Sorten. Von den alten, historischen Rosen, wie sie hießen und woher sie kamen. Sie hörte nicht zu. Aber er war so berauscht davon, endlich wieder mit ihr zusammen zu sein, dass er sich nichts anmerken ließ.
    Sie war überhaupt passiv und willenlos, stark geprägt von der Schwangerschaft. Aber das machte es einfacher für ihn, die wichtigen Entscheidungen zu treffen. Sie mussten natürlich heiraten. Er fragte sie und sie sagte ja. Obwohl sie vielleicht ein klein wenig zögerte. Sie heirateten sofort, nachdem die Aufgebotsfrist um war, und fuhren zurück nach Oslo, wo er seine feste Arbeitsstelle wieder antrat. Fanden eine Wohnung zu einem günstigen Mietpreis, zwei Zimmer in einem der großen Wohnblocks in Ammerud. Sie schafften es gerade noch einzuziehen, bevor das Kind kam.
     
    Sie war nur wegen des Kindes zurückgekommen. Wäre das Kind nicht gewesen, hätte sie es nicht getan. Sie hatte ja sonst niemanden. Keinen, der sich um sie gekümmert, sie und das Kind versorgt hätte. Aber er liebte sie. Trotz des dicken Bauchs. Er wollte einfach nur glücklich sein. Wollte nicht an ihr zweifeln. Im Zweifel für die Angeklagte. Er wollte nicht, dass sie bereute, zurückgekommen zu sein. Nach einer Weile wirkte sie etwas gelöster. Er meinte zu sehen, dass sie wieder lächelte. Ab und an konnte er den Schatten eines Lächelns erahnen.

[zur Inhaltsübersicht]
    24
    Robert geht eine Runde durch die Heide vor der Hütte. Von drinnen hört er, wie Lukas spielt. Er macht Schießgeräusche und spricht mit zwei verschiedenen Stimmen, wechselt zwischen der Rolle des Helden und der des Schurken. Ich muss ihm einfach ein bisschen Zeit geben, denkt Robert, bis er fertig ist mit Spielen.
    Er tritt ein paar Schritte zurück und nimmt die Hütte genauer in Augenschein. An mehreren Stellen hat sich die Dachpappe gelöst. Die Wände sind schief, und über dem Boden, wo alle möglichen Pflanzen bis dicht ans Haus gewachsen sind, sind die Bretter verfault. Kleine Bäumchen. Büsche. Aus der Giebelwand wächst geradewegs eine kleine Kiefer heraus. An der Längswand hinter der Hausecke liegt ein großer Stapel verrottetes Holz.
    Er öffnet die Tür zu einem Verschlag, der Abstellkammer, die Toilette und Holzschuppen in einem zu sein scheint. Einige Werkzeuge mit deutlichen Gebrauchsspuren lehnen an der Wand. Säge, Hammer und Axt. Daneben ein paar Eimer und ein stockfleckiger Sonnenschirm. Mehrere Haken mit verschimmelten Handtüchern und einem Morgenmantel. Ganz hinten sieht er einen Toiletteneimer

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