Der Waldläufer
feierlichen Schweigen der Nacht die Strahlen des Mondes und die halberloschenen Holzscheite diejenigen, die einen kurzen Schlaf schliefen, ebenso wie die, die nicht wieder erwachen sollten.
31 Der Fatalist
Unterdessen erhob sich mitten in dieser augenblicklichen Ruhe, die auf den Lärm des Gefechts gefolgt war, während der durstige Boden alles auf ihm vergossene Blut trank, ein einziger Mann leise etwa nach einer Stunde. Einen Feuerbrand in der Hand, untersuchte er bei dem unbestimmten Licht, das dieser verbreitete, alle Leichname, die vor seinen Füßen ausgestreckt dalagen. Er schien in diesen todbleichen oder blutigen Gesichtern die Namen derer zu suchen, die diese bei ihren Lebzeiten getragen hatten. Bald beleuchtete der Glanz der Fackel die sonderbare Malerei eines indianischen Leichnams, bald das bleiche Antlitz eines Weißen, die hier nebeneinander den ewigen Schlaf schliefen; zuweilen bezeichnete bei seinen Nachforschungen ein halberstickter Seufzer einen der verwundeten Abenteurer; aber bei jeder Untersuchung machte der nächtliche Forscher eine Gebärde getäuschter Erwartung.
Plötzlich nahm mitten in diesem Schweigen des Todes, das über die Lebenden wie über diejenigen ausgebreitet war, deren Seele schon den Leib verlassen hatte, eine schwache Stimme die Aufmerksamkeit des nächtlichen Suchers in Anspruch. Er suchte im Halbdunkel den Ort zu entdecken, von dem aus die Stimme ertönte, die ihn anrief. Eine schwache Bewegung mit der Hand, die einer von denen machte, die vor ihm ausgestreckt lagen, machte seiner Ungewißheit ein Ende. Er näherte sich dem Sterbenden, und mit Hilfe des geringen Lichts, das die Fackel verbreitete, die er vor sein Gesicht hielt, erkannte er den vor seinen Füßen liegenden Mann.
»Ach, Ihr seid es, mein armer Benito!« sagte der Mann, während sein Gesicht ein Gefühl tiefen Mitleids ausdrückte.
»Ja«, sagte der frühere Hirt, »es ist der alte Benito, der in der Steppe stirbt, wie er stets darin gelebt hat... Was mich betrifft, so weiß ich nicht, wer Ihr seid; meine Augen sind sehr dunkel... Ist Baraja noch am Leben?«
»Ich denke«, antwortete der Mann, »er ist jetzt mit bei der Verfolgung der Indianer, und ich hoffe, er wird zeitig genug zurückkommen, um Euch ein letztes Lebewohl zu sagen.«
»Ich bezweifle es«, erwiderte Benito. »Ich hatte ihn einen letzten Vers aus dem Gebet für Sterbende lehren wollen ... ich weiß ihn jetzt nicht mehr. Wißt Ihr nicht einige?«
»Auch nicht ein Stückchen«, antwortete derjenige, der mit dem Sterbenden sprach.
»Dann muß ich mich damit zufriedengeben«, antwortete Benito, den sein philosophischer Gleichmut auch in diesem letzten Augenblick nicht verließ. Darauf nahm er wieder mit noch schwächerer Stimme das Wort: »Ich habe Baraja einen alten Gefährten, einen alten Freund zurückgelassen; wer Ihr auch sein mögt, bringt ihm meinen letzten Wunsch, daß er ihn liebe wie ich ...«
»Einen Bruder ohne Zweifel?«
»Mehr als das: mein Pferd!«
»Ich werde ihm Eure letzten Wünsche überbringen, glaubt es sicherlich.«
»Danke!« erwiderte der Greis. »Was mich anlangt – ich habe meine Wanderungen beendigt. Die Indianer haben mich in meiner Jugend nicht getötet, als ich ihr Gefangener war; sie haben mich in meinem Alter getötet, ohne mich gefangenzunehmen, das ...«
Er hielt inne. Es war das letztemal, daß der Greis etwas absichtlich verschwieg.
»Das gleicht sich aus«, fügte der alte Hirt mit so schwacher Stimme hinzu, daß deren Ton kaum in das Ohr dessen gelangte, der ihm zuhörte.
Es war auch das letzte Wort, das über die Lippen Benitos kam. Er war mit dem Fatalismus entschlafen, der alle Ereignisse als gut ansah und der den Grundzug seines Charakters bildete.
»Er war ein braver Diener«, sagte der nächtliche Sucher zu sich selbst. »Friede sei mit ihm!«
Indessen fuhr er immer noch fort, die blutigen, auf dem Sand hier und da eingedrückten Spuren zu untersuchen; dann ging er gedankenvoll, einer nutzlosen Nachforschung müde, mit sorgenvoller Stirn auf den Platz zurück, den er verlassen hatte. Nun schien die kalte, einförmige Ruhe des Todes abermals das ganze Lager einzuhüllen, als ob der letzte Lebende sich seinerseits zum Sterben niedergelegt hätte.
Kaum verbreiteten die Feuer noch einen schwachen Schein, als ein Lärm von Stimmen und Pferden die Rückkehr der Abenteurer bezeichnete, die zu der Verfolgung der Apachen ausgezogen waren. Derselbe Mann, der sich schon einmal erhoben hatte, ging
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