Der Waldläufer
großes Wasser von den Flußufern weggerissen worden war und sich in den Zweigen verwickelt hatte, füllte die Zwischenräume dieses Floßes aus. Dann hatte der Staub, den der Wind aufjagt und weithin mit sich fortnimmt, dieses Gras mit einer Erdkruste bedeckt und bildete so auf dieser schwimmenden Insel eine Art festen Bodens. Wasserpflanzen waren an ihrem Rand entlang aufgeschossen. Weidenstämme hatten kräftige Schößlinge getrieben, die samt dem Rohr und dem Schilf diese Insel mit einer grünen Einfassung umgaben, die sich sonderbar genug um die trockenen Baumskelette und die großen Zweige ohne Rinde geschlungen hatte.
Diese Art von Floß konnte fünf bis sechs Fuß im Durchmesser haben, und ein Mann, der sich niedergelegt hatte oder selbst nur kniete, verschwand gänzlich, wie groß er auch sein mochte, hinter dem Vorhang, den die Schößlinge und die Zweige der Weiden bildeten.
Die Sonne senkte sich gegen Westen, und schon warf der Blätter- und Pflanzengürtel ein wenig Schatten, der sich über den ganzen Raum der Insel verlängerte. Unter dem Einfluß der Kühle des eben entstandenen Schattens und den Ausdünstungen des Flusses schlief Fabian, auf der Erde liegend. Bois-Rosé schien diesen kostbaren Schlaf zu überwachen, dem er sich nach den Beschwerden eines langen Tagesmarsches und mitten unter stets sich wieder erneuernden Gefahren in aller Hast überlassen hatte. Pepe suchte Erfrischung, indem er seine Beine im Wasser badete.
Wir wollen den augenblicklichen Schlaf Fabians nützen, um den Schleier aufzuheben, unter dem der junge Graf vor den Augen seiner beiden Freunde seine geheimsten und teuersten Gedanken verbarg.
In dem Augenblick, als Fabian in den Gießbach stürzte, hatte Pepe vergessen, daß der Feind, dem er Rache geschworen hatte, seinem Haß entging. Der Kanadier und er hatten nur daran gedacht, Fabian schnell zu Hilfe zu kommen. Als das Leben in ihn zurückkehrte, war sein Herz noch zerrissen von der Erzählung des früheren Grenzjägers, und seine erste Bewegung bestand darin, eine abgebrochene Verfolgung wiederaufzunehmen. Die Eroberung des Val d'Or, die stets lebende Erinnerung an Doña Rosarita waren einen Augenblick vor der gebieterischen Notwendigkeit, seine Mutter zu rächen, zurückgetreten. Pepe seinerseits war nicht der Mann, auf den Eid, den er geschworen hatte, zu verzichten. Was Bois-Rosé anlangt, so hatte er seine ganze Liebe auf seine beiden Gefährten übertragen und wäre ihnen bis ans Ende der Welt gefolgt.
Weit davon entfernt, durch diese augenblickliche Schlappe den Mut zu verlieren, hatte diese ihren Eifer nur noch mehr angespornt. In der Liebe wie im Haß sind die Hindernisse immer ein mächtiger Sporn bei Gemütern von kräftigem Schlag. Nach und nach war in dieser Verfolgung ein doppeltes Ziel vor Fabians Augen getreten. Er näherte sich durch diese dem Val d'Or, das in der Steppe lag, in die Don Antonio eben eindrang, und belebte zugleich eine unbestimmte Hoffnung: Vielleicht war die Goldmine, deren Geheimnis ihm entdeckt war, die gleiche wie diejenige, die die durch den Herzog von Armada geführte Expedition in Besitz nehmen wollte. Bei ruhiger Überlegung sagte sich nun Fabian, daß die Tochter Don Agustins sich ohne Zweifel nur den ehrgeizigen Plänen ihres Vaters fügte und daß es ihm, von edler Geburt und reich, ein leichtes sein würde, den Sieg über einen Nebenbuhler wie den Senator Tragaduros davonzutragen.
Aber nach und nach war auch die Mutlosigkeit zurückgekehrt und hatte sich Fabians bemächtigt. Er liebte die Tochter des Hacenderos mit allen Kräften, von ganzem Herzen. Er hätte lieber das Herz Rosaritas allein besessen, als daß er ihre Person und nicht ihre Liebe mit dieser gekauft hätte, und das Bewußtsein, diese Liebe nur den Schätzen, denen er nachjagte, zu verdanken, hatte die Mutlosigkeit bei ihm hervorgebracht, deren Opfer er geworden war.
Fabian hatte ebensogut begriffen, daß die glühende und eifersüchtige Liebe des Kanadiers ihn zum Mittelpunkt seines Lebens gemacht hatte; daß Bois-Rosé, der wie alle seine Genossen, die Waldläufer, dem zivilisierten Leben für immer entsagt hatte, ähnlich dem Adler, der sein Junges der Hand des Menschen entreißt, um es auf seinen Horst zu tragen, der ihm nur allein zugänglich ist, aus ihm seinen unzertrennlichen Gefährten in der Steppe machen wollte und daß es hieß, einen Trauerschleier über die Zukunft des alten Mannes zu werfen, wenn er in dieser Hoffnung getäuscht würde.
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