Der Waldläufer
Indessen hatte noch keinerlei vertrauliche Besprechung über ihre zukünftigen Pläne zwischen Fabian und Bois-Rosé stattgefunden. Aber einer – wie er glaubte – hoffnungslosen Liebe gegenüber hatte Fabian den glühenden, wenn auch geheimen Wünschen des Mannes, der zwei Jahre hindurch Vaterstelle bei ihm vertreten hatte und dem eine Trennung das Herz brechen mußte, großmütig und stillschweigend seine Wünsche und Hoffnungen, die sich noch gegen den Tod stemmten, zum Opfer gebracht.
Wir könnten mit einem Wort die Lage Fabians, der sozusagen nur die Hand auszustrecken brauchte, um Güter, die jedermann beneidet – Reichtum, Titel, Ehren – in Besitz zu nehmen, mit nichts besser vergleichen als mit dem Zustand eines Mannes, dessen Leben durch eine unglückliche Liebe allen Reiz verloren hat, der die Zukunft verschmäht und in einem Kloster Vergessen der Vergangenheit sucht. Für Fabian de Mediana war die Steppe dieses Kloster; und hatte er erst Rache für seine Mutter genommen, so blieb ihm nichts mehr übrig, als sich für immer darin zu begraben. Die Einöde mit ihren geheimnisvollen Stimmen; mit den glühenden Betrachtungen, die sie weckt; mit den endlosen Aufregungen, in die sie stürzt, ist nur ein trauriges und wirkungsloses Heilmittel für eine Leidenschaft, die die Einsamkeit selbst so tief in dem jungen Herzen Fabians entwickelt hatte.
Eine einzige Hoffnung blieb ihm: nämlich daß mitten unter den stets wiederkehrenden Gefahren eines abenteuerlichen Lebens der Tag vielleicht nicht fern war, wo er sein Leben in irgendeinem Zusammentreffen mit den Indianern oder bei einem verzweifelten Unternehmen verlor, das er gegen den Mörder seiner Mutter versuchen würde.
Er hatte vor dem Kanadier sorgfältig die Liebe verborgen gehalten, die noch in der Tiefe seines Herzens begraben lag, und nur in dem Schweigen der Nächte wagte Fabian, während er wachte, zuweilen verstohlene Blicke in die geheimen Falten seines Herzens zu werfen. Dann erhob sich wie der strahlende Widerschein, den der Verbannte am Horizont eines dunklen Himmels über den großen Städten bemerkt, von denen er scheiden muß, vor den Augen Fabians ein ferner Glanz in der unermeßlichen Steppe und zeigte ihm ein ewig strahlendes Bild in jener Maueröffnung der Hacienda, an die sich seine letzten Erinnerungen knüpften. Oder wie die dumpfe Stimme eines Mannes, den man lebendig begraben hat, vom Lärm des Tages erschreckt wird, so sprach Fabians vergeblich bekämpfte Liebe leise in sein Ohr, während diese Nächte voll banger, trauriger Klagen langsam vergingen.
Am Tag jedoch suchte der heroische junge Mann unter einer anscheinenden Ruhe die Melancholie zu verbergen, die ihn verzehrte. Er begnügte sich, mit trauriger Ergebung bei den Plänen für die Zukunft zu lächeln, die der Kanadier zuweilen vor ihm aufzurollen nicht unterließ. Dieser fühlte sich glücklich, den wiedergefunden zu haben, und zitterte, den noch einmal zu verlieren, dessen Hand eines Tages seine Augen zudrücken sollte, wenn er sich zu einem ewigen Schlaf in diesen Steppen niederlegte, in denen sein Leben verlaufen mußte.
Die blinde Zärtlichkeit Bois-Rosés ahnte nicht den Abgrund auf der ruhigen Oberfläche des Sees. Pepe allein schien klarer zu sehen. Unter dem Eindruck solcher Gedanken begegnen wir den drei Gefährten auf der Insel des Flusses Gila wieder.
»Gewiß«, sagte der spanische Jäger, »würden die Einwohner von Madrid einen Wasserstrom wie diesen hier im Manzanares teuer bezahlen; aber es ist auch nicht weniger gewiß, daß wir hier einen ganzen Tag verlieren, der nützlicher hätte angewandt werden können, wenn wir uns dem Val d'Or genähert hätten, von dem wir zur Zeit nicht mehr fern sein können.«
»Ich gebe es zu«, antwortete Bois-Rosé, »aber das Kind« – und mit diesen Worten meinte er den kraftvollen jungen Mann, der unter seinen Augen schlief– »ist nicht so wie wir daran gewöhnt, lange Tagemärsche zu Fuß zu machen; und obgleich sechzig Meilen in zwölf Tagen für uns keine Anstrengung sind, so bedeuten doch für ihn sechzig Meilen schon etwas, da er niemals weite Strecken anders als zu Pferd zurückgelegt hat. Aber er wird noch kein Jahr bei uns sein, so ist er imstande, ebenso lange zu marschieren, als wir selbst es nur vermögen.«
Pepe konnte sich nicht enthalten, bei dieser Antwort des Kanadiers zu lächeln; aber dieser bemerkte es nicht, und der frühere Grenzjäger fuhr fort, mit den Füßen im kühlen Flußwasser zu
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