Der Waldläufer
nicht zu wissen, daß sie dort nach Rache schnauben wie heißhungrige Wölfe.«
Der Spanier zuckte mit stoischem Gleichmut die Schultern; er kannte ebensogut wie der Kanadier die Hartnäckigkeit der Rachgier bei den Indianern. »Ohne Zweifel«, erwiderte er; »aber wir müssen uns entschließen, zu fliehen oder zu bleiben.«
»Bei Gott! Wenn wir beide allein wären, so sollte es das Werk nur einer einzigen Minute sein, die andere Seite des Flusses zu gewinnen. Die sieben Reiter, die jetzt noch übrig sind, würden uns ohne Zweifel einholen; zu zweit jedoch würden wir mit ihnen sicherlich fertig werden – wir haben früher wohl schwierigere Taten zu Ende gebracht.«
»Es würde immer besser sein, als hier belagert zu bleiben wie Füchse, die man in ihrer Höhle ausräuchern kann.«
»Einverstanden!« erwiderte Bois-Rosé mit nachdenklicher Miene. »Aber Fabian und der unglückliche Skalpierte, den wir nicht so der Willkür seiner Henker, die ihn schon so verstümmelt haben, überlassen können? Warten wir mit dem Fluchtversuch wenigstens so lange, bis der Mond untergegangen und die Nacht mit ihrer gewöhnlichen Dunkelheit eingetreten ist.«
Und der Jäger beugte sein Haupt auf sein Knie mit einer Miene der Mutlosigkeit, die auf den Spanier einen traurigen und peinlichen Eindruck machte. Der Kanadier gab seine düstere Haltung nur auf, um einen besorgten Blick auf den Himmel zu werfen. Aber der Mond glitt nur langsam wie immer über die azurene, sternenbedeckte Fläche.
»Gut, es bleibt dabei«, sagte Pepe, indem er sich an die Seite seines Gefährten setzte. »Doch halt – hier stehen fünf Holzstückchen in der Erde, das sind fünf tote Apachen; drei dazu macht acht. Es müssen also zwölf übrigbleiben; warum haben wir nur zehn im Fluß gezählt? Ich glaube dennoch mich nicht zu irren, wenn ich denke, daß der Schwarze Falke die beiden Abwesenden nach Verstärkung ausgesandt hat.«
»Das ist möglich«, antwortete Bois-Rosé. »Ob wir bleiben oder fliehen – die Wahl zwischen beidem ist schrecklich.«
Als jedoch die drei Jäger ein einfaches Abendessen, bestehend aus Fleisch, das in der Sonne getrocknet war, und aus ein wenig grobem Maismehl, zu sich genommen hatten, fielen die Strahlen des Mondes schon schräger auf die leichten Wirbel des Flusses; schon war ein Teil der Baumwipfel in Schatten gehüllt. Mehr als eine Stunde war schon seit dem Versuch der Indianer verflossen, und obwohl kein Geräusch die Stille der Nacht störte, so lauschte doch Pepe, der weniger in Gedanken vertieft war als Bois-Rosé, zuweilen mit einem Gefühl, das an Unruhe grenzte. »Dieser verdammte Mond wird niemals untergehen«, sagte er. »Ich bin unruhig; es ist mir, als ob ich das Wasser von irgendwelchen Füßen rauschen hörte, und das Geräusch ist nicht das der Wirbel im Fluß. Die Büffel kommen ebenfalls nicht, um zu dieser Stunde der Nacht ihren Durst zu löschen.« Bei diesen Worten erhob sich der Spanier, beugte sich vor, um stromauf- und stromabwärts zu blicken – das heißt, rechts und links der ganzen Ausdehnung seines Laufs mit den Augen zu folgen –, aber oben wie unten breiteten Nebelschichten, die sich wirbelnd erhoben, schon in kurzer Entfernung einen undurchdringlichen Schleier vor dem Auge des Jägers aus. Die Kühle der amerikanischen Nächte, die auf die glühende Hitze des Tages folgt, ballt so die Ausdünstungen der Erde und des von der Sonne erwärmten Wassers zu dichten Wolken zusammen. »Ich sehe nur Nebel!« sagte Pepe ärgerlich.
Nach und nach jedoch erstarb dieses ungewisse Geräusch im Ohr des spanischen Jägers, und die Luft war wieder ruhig und still. Abermals verging eine lange Zeit; der Mond neigte sich immer mehr seinem Untergang zu; die wandernden Sternbilder befanden sich nicht mehr mitten am Himmel; die Natur schlief unter ihrer Decke von weißen Dünsten, als die Verteidiger der Insel plötzlich erbebten und einander bestürzt ansahen.
Ein Geheul hatte sich auf beiden Seiten des Flusses zugleich mit so anhaltendem und durchdringendem Klang erhoben, daß, als der Mund derer, die es ausgestoßen hatten, schon geschlossen war, es die Echos von beiden Ufern wiederholten. Von nun an wurde die Flucht unmöglich; die Indianer schlossen die Insel auf jeder Seite zugleich ein. Die beiden Jäger hatten zuviel Erfahrung, um noch daran zu zweifeln.
»Der Mond kann nun untergehen!« sagte Pepe, indem er wütend die Fäuste ballte. »Ach, ich sagte es wohl, daß ich den beiden Absendern und dem
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