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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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schrankenlosen Freiheit der Steppen lebte, war ein Verzichten auf diese Art Leben soviel wie der Tod; ein Verzichten aber auf den Trost, Fabian täglich zu sehen, zu wissen, daß sein Adoptivsohn ihm einst die Augen zudrücken würde, hieß ebenfalls, dem Glück Lebewohl sagen. Fabian und die Wildnis waren die beiden beherrschenden Leidenschaften seines Lebens; den einen oder die andere zu verlassen, das schien ihm eine unmögliche Anstrengung. So fand in der Seele des Jägers ein Kampf zwischen dem zivilisierten Menschen und dem Mann statt, den eine lange Gewohnheit fast zum Wilden gemacht hatte.
    Pepe unterbrach bald die Träumereien des Kanadiers. Schon seit einiger Zeit warf der erstere unruhigere Blicke nach einem der beiden Flußufer hinüber. Es kam ihm vor, als ob er in verwirrten Umrissen die weißen und phantastischen Formen der Bäume durch den Nebel hindurch bemerkte. Sie sahen aus wie formlose Gestalten der Einbildungskraft, die, von langen Dunstgewändern umwallt, sich weinend über den Fluß zu beugen schienen.
    »Wir kommen aus der Richtung, Bois-Rosé«, sagte Pepe ganz leise. »Jene Nebelmassen dort, die noch dichter als sonst erscheinen, können nur die Wipfel der Uferweiden sein.«
    »Das ist wahr!« erwiderte der Kanadier, der sich aus seinem Nachdenken herausriß. »An den Feuern, die noch rechts und links leuchten, können wir leicht sehen, wie kurz der Weg ist, den wir seit einer halben Stunde zurückgelegt haben.«
    An dieser Stelle schien die schwimmende Insel einen Anstoß zur schnelleren Bewegung zu erhalten. In einigen Sekunden hatte sie zwei Kreise beschrieben, die sie vorher nur in einem viel beträchtlicheren Zeitraum zurücklegte; der Wipfel der fernen Bäume wurde darum auch bald weniger undeutlich. Die beiden Jäger wechselten einen unruhigen Blick.
    Das Floß näherte sich immer mehr der Uferseite des Flusses. Eins von den Feuern, die eben noch so schwach mitten im Nebel glänzten, bekam nach und nach vor den Augen des erbebenden Bois-Rosé einen immer größeren Lichtkreis. Bei dem noch unbestimmten Schein der Glut konnte man eine von den indianischen Wachen aufrecht und unbeweglich in ihrer schrecklichen Kriegstracht stehen sehen. Die lange Mähne eines Büffels bedeckte den Kopf, und darauf schwankte ein Federbusch wie ein römischer Helmschmuck.
    Der Kanadier zeigte Pepe den an die Lanze gelehnten Krieger. Glücklicherweise war der Nebel zu undurchsichtig, als daß der Apache, den nur das Feuer sichtbar werden ließ, die dunkle Masse der Insel hätte bemerken können, die leicht wie ein Seevogel auf der Oberfläche des Flusses dahintrieb. Doch als ob der Instinkt dem Wilden ein Zeichen gegeben hätte, daß seine unerschrockenen und gewandten Feinde seine Wachsamkeit täuschen wollten, richtete er seinen gebeugten Kopf empor und schüttelte die flutende Mähne zurück, mit der er geschmückt war.
    »Sollte er irgendeinen Argwohn haben?« sagte der Kanadier zu Pepe.
    »Ach, wenn eine Büchse nicht mehr Lärm machte als ein Pfeil, wie würde ich mich beeilen, diesen menschlichen Bison in jener Welt auf Posten stehen zu lassen!« antwortete der Spanier.
    Die beiden Jäger sahen bald, wie der indianische Krieger seine Lanze, an der er lehnte, in die Erde stieß, den Körper vorwärts beugte und seine beiden Hände wie einen Schirm über die Augen hielt, um die Schärfe des Blickes zu verstärken.
    Ein plötzliches Gefühl der Angst durchflog das Herz der Flüchtlinge, die beim Anblick des Indianers einen Augenblick lang gar nicht mehr zu atmen wagten. In gebückter Haltung stand der grimmige Häuptling da wie ein wildes Tier auf der Lauer; sein Gesicht war halb von den langen Flechten seines Haarbusches bedeckt und hatte ein fürchterliches Aussehen. Ein Mann von gewöhnlichem Mut hätte ihn nicht ohne Schaudern betrachten können. Die drei Flüchtlinge indes hätten diese schreckliche Erscheinung ebensowenig beachtet wie die eines Kindes, wenn in diesem kritischen Augenblick ein Kind nicht ebenso gefährlich gewesen wäre wie der Indianer. Mitten im dichten Nebel beleuchtete das Feuer, bei dem der wilde Posten wachte, nur einen engen Kreis.
    Plötzlich machte der Apache, nachdem er einige Augenblicke in der Stellung eines Menschen verblieben war, dessen Auge einen fernen Gegenstand mitten in der Dunkelheit zu erkennen sucht, zwei oder drei Schritte in der Richtung nach dem Wasser und verschwand. Er hatte die Lanze auf dem Platz, den er eben einnahm, stehenlassen; der Abendwind

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