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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Männer gingen ins Wasser, das ihnen kaum bis ans Knie reichte.
    Die Bergkette der Nebelberge war nur etwa eine Meile von dem Punkt des Deltas entfernt, wo sie sich eben befanden, und nach einem kurzen Halt wurde der Marsch mit neuem Eifer wiederaufgenommen.
    Bald bekam der Boden ein anderes Aussehen. Auf den feinen Sand des angeschwemmten Erdreichs – denn während eines Teils des Jahres war das durch die Trennung der beiden Stromarme gebildete Delta zur Zeit des Steigens der Gewässer überschwemmt – folgten tiefe Löcher und manches ausgetrocknete Flußbett, wie es sich die Gießbäche wühlen, wenn sie während der Regenzeit von den Bergen herabstürzen. Anstatt der langen, schmalen Einfassung von Weiden und Baumwollstauden, die die Ufer ausgetrockneter Flüsse beschatten, erhoben sich von Strecke zu Strecke grüne Eichen, und die ganze umgewühlte Gegend war durch die Bergkette, die man die »Nebelberge« nennt, begrenzt.
    Hier machten die Wanderer einen Augenblick halt. Der Anblick dieser Landschaft aus der Nähe war sonderbar und großartig zugleich. Selten hatten wohl die Füße des weißen Mannes diese noch mit ihrer unberührten, jungfräulichen Wildheit geschmückte Steppe betreten. Marcos Arellanos und Cuchillo waren allein bis hierher vorgedrungen. Wie in den unermeßlichen Domen, die ganz von der Majestät Gottes erfüllt sind, so ließ auch hier, dem übernatürlichen Zauber gegenüber, der auf dieser rauhen Landschaft zu ruhen schien, aus einem unbestimmten Gefühl ehrfurchtsvollen Schreckens die Stimme des Menschen sich unwillkürlich nur leiser vernehmen.
    Diese von einem ewigen Nebel eingehüllten Hügel waren auch jetzt, wo die Ebenen ringsumher von den Strahlen der Sonne glänzten, damit bedeckt und schienen auf ihrem Gipfel undurchdringliche Geheimnisse zu verbergen. Zuweilen dringen, nach der Aussage der Reisenden, unter dem Gewölk eines wolkenfreien Himmels leuchtende Blitze durch den Nebel, der auf den Höhen lagert; die Echos senden einander ein dumpfes Geräusch wie das eines fernen Donners zu und übertönen mit ihrer ehrfurchtgebietenden Stimme die Wasserfälle, die sich in gähnende Abgründe stürzen. Man könnte sagen, daß Geister unter der Erde, unsichtbare Wächter verborgener Schätze, miteinander in den Tiefen der Erde kämpfen und daß nach den indianischen Sagen diese Nebeldecke die unverletzliche Wohnung des Herrn der Berge verbirgt.

37 Der Finger Gottes
    Unterdessen hatten Mattigkeit und Schmerz den Gambusino überwältigt. Da die Notwendigkeit es gebieterisch verlangte, daß er nichts von der Lage des Val d'Or, ja nicht einmal sein Dasein erfahren durfte, so faßten Bois-Rosé und Pepe nach gemeinschaftlicher Verabredung den Entschluß, ihn jetzt, da er in Sicherheit war, auf einige Stunden zu verlassen und diese Zeit zu benützen, um die Örtlichkeiten aufzusuchen, deren Beschreibung Fabian von seiner Adoptivmutter empfangen hatte. »Hört, mein Junge«, sagte Bois-Rosé zu Gayferos, »wir haben Euch ohne Zweifel hinreichende Proben von Zuneigung und Ergebenheit gegeben, so daß wir Euch hier nun einen halben, vielleicht einen ganzen Tag zurücklassen können. Wir haben noch etwas abzumachen, wozu drei entschlossene Männer nötig sind. Wenn wir heute abend oder morgen früh noch auf der Welt sind, so werdet Ihr uns zurückkommen sehen; wo nicht ... Ihr begreift, es ist dann nicht unsere Schuld. Unterdessen sind hier Wasser und trockenes Fleisch, und mit diesen Lebensmitteln werden vierundzwanzig Stunden bald vorüber sein.«
    Wie man sich wohl denken kann, willigte der arme Verstümmelte nicht ohne Widerstreben in diese Trennung; indessen beruhigte er sich mit einem neuen und feierlichen Versprechen der hochherzigen Jäger, denen er schon soviel verdankte, und fand sich darein, sie ziehen zu lassen.
    »Ich muß noch, ehe wir Euch verlassen, eine letzte Forderung an Euch richten«, sagte der alte Jäger. »Wenn der Zufall Eure Gefährten, von denen Ihr auf so traurige Art getrennt seid, hier vorüberführte, so fordere ich für den Fall, daß der Dienst, den wir Euch geleistet haben, einigen Wert in Euren Augen hat, beim Heil Eurer Seele von Euch, daß Ihr keinem von ihnen unseren Aufenthalt in diesen Gegenden verratet. Was Euer Hiersein betrifft, so mögt Ihr es rechtfertigen, wie Ihr es für gut befindet.«
    Gayferos versprach, sich nach den Forderungen des Jägers zu richten, und die drei Freunde entfernten sich mit raschen Schritten.
    Bois-Rosé stand auf dem Punkt,

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