Der Waldläufer
es nötig ist, den Verwundeten auf den Armen und werden wenigstens zwei Meilen Gemeint sind französische Meilen. in der Stunde zurücklegen. Denkt Ihr, Don Fabian, daß das Val d'Or noch sehr weit ist?«
»Ihr habt ebenso wie ich die Sonne hinter den Nebelbergen, in denen es liegt, untergehen sehen«, antwortete Fabian; »wir müssen kaum noch einige Stunden davon entfernt sein und werden es ohne Zweifel noch vor Tagesanbruch erreichen.«
Bois-Rosé gab mit Pepes Hilfe dem Floß, auf dem sie sich befanden, eine schräge Richtung nach dem linken Ufer, und nach einer Viertelstunde etwa stieß die Insel so heftig an den Rand des Flusses, daß ein Riß mitten durch ihren Boden entstand. Während Pepe und Fabian auf ein Ufer sprangen, wo keine Feinde mehr waren, nahm der Kanadier den immer noch bewegungslosen Gambusino in seine Arme und legte ihn ins Gras.
Der Verwundete erwachte. Beim Anblick einer Gegend, die von der, wo er eingeschlafen war, ganz verschieden war – was ungeachtet des Nebels und der Nacht leicht bemerkt werden konnte –, sah er sich erstaunt um. »Virgen santa!« sagte er. »Muß ich immer noch das schreckliche Geheul, das mich im Schlaf störte, vernehmen?«
»Nein, mein Sohn, die Indianer sind jetzt fern, und wir befinden uns in Sicherheit. Gott sei gelobt, daß ich alles, was mir teuer ist – meinen Fabian und meinen alten Begleiter–, in allen Gefahren durch seine Gnade habe retten können.« Bei diesen Worten entblößte der Kanadier ehrfurchtsvoll sein ergrauendes Haupt und reichte Pepe und Fabian von Mediana herzlich die Hand.
Nachdem man dem skalpierten Gambusino einige Augenblicke zur Besinnung gelassen hatte, machten sich die drei Jäger bereit, ihren Weg fortzusetzen.
»Wenn Ihr nicht imstande seid, mit uns zu marschieren«, sagte der Kanadier zu ihm, »so wollen wir eine Art Tragbahre machen, um Euch fortzuschaffen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, wenn wir diesen Räubern entgehen wollen, die, sobald der Tag anbricht, Jagd auf uns machen werden.
Gayferos' Verlangen, so schnell wie möglich einem neuen Zusammentreffen mit den Indianern zu entgehen, war jedoch so groß, daß er fast die heftigen Schmerzen vergaß, die er litt. Er erklärte, daß er seinen drei Befreiern ebenso schnell folgen wolle, als sie selbst nur marschieren könnten, und schlug vor, sogleich aufzubrechen.
»Wir müssen vorher noch einige Vorsichtsmaßnahmen treffen«, sagte Bois-Rosé. »Ruht Euch noch einige Augenblicke aus, bis wir dieses Floß, das uns so nützlich gewesen ist, zerstückelt und es der Strömung des Flusses überlassen haben. Es ist nötig, daß die Indianer keine Spur von uns wiederentdecken.«
Alle drei machten sich ans Werk. Die schwimmende Insel war schon durch das Zerreißen der Wurzel, von der sie im Fluß festgehalten wurde, und durch den Stoß, den sie an dem abschüssigen Ufer, wo sie landete, empfangen hatte, auseinandergegangen und widerstand den vereinten Kräften der drei Jäger nicht lange. Die Baumstämme, aus denen sie bestand, wurden nach und nach losgerissen und in die Strömung gestoßen, die sie mit fortriß; bald blieb keine Spur des Floßes mehr übrig, auf dessen Bildung die Natur so viele Jahre verwandt hatte.
Als der letzte Zweig aus den Augen der Jäger verschwunden war, richtete Bois-Rosé mit Pepes Hilfe die Grashalme wieder auf, um so den etwa hinterlassenen Eindruck ihrer Füße zu verwischen, und gab das Zeichen zum Aufbruch.
Als der größte und stärkste von den vier Flüchtlingen ging er zuerst ins Wasser, und zwar weit genug vom Ufer, daß die Spur ihrer Füße verdeckt wurde und die Indianer voraussetzen mußten, sie wären auf der Insel weitergefahren. Der Marsch war zu beschwerlich, als daß er hätte sehr beschleunigt werden können; dennoch aber kamen sie nach einer Stunde in dem Augenblick, wo ihre schmerzenden Füße sie trotz der beibehaltenen Fußbekleidung zwangen, haltzumachen, an die Stelle, wo die beiden Flüsse das Delta bildeten und wo das Val d'Or liegen mußte.
Der Tag brach an. Die Morgendämmerung begann den Horizont im Osten zu erhellen; ein graues Halbdunkel folgte der Finsternis. Glücklicherweise war der Arm des Flusses, durch den man waten mußte, nicht sehr tief; die Wassermasse strömte in den anderen Arm hinein. Das war ein glücklicher Zufall, denn der verwundete Gambusino würde einen langen Aufenthalt verursacht haben, ehe er schwimmend das andere Ufer erreicht hätte. Bois-Rosé nahm ihn auf seine Schultern. Alle drei
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