Der Waldläufer
bewegte nur noch die nach Art eines Fähnchens an ihrem Schaft hängenden Skalpe.
Dies war ein Augenblick noch lebhafterer Angst, denn die Nacht verhüllte die Bewegungen des Indianers. Die Flüchtlinge hielten selbst ihren Atem an, und das Floß glitt langsam auf der düsteren Oberfläche des Stromes weiter.
»Sollte uns der Dämon bemerkt haben?« flüsterte Pepe dem Kanadier ins Ohr.
»Ich fürchte es fast«, antwortete Bois-Rosé.
Ein klingendes Geschrei ließ die Jäger erbeben; der Ruf wurde auf beiden Ufern wiederholt: es waren die Signale, die die Wachen einander gaben, indem sie den Ruf der Eule nachahmten. Dann wurde alles wieder still.
Endlich seufzte Bois-Rosé aus erleichtertem Herzen und zeigte mit dem Finger auf das Feuer, das am Ufer brannte. Der Indianer war eben in den Lichtkreis zurückgekehrt, und nachdem er seine Lanze wieder ergriffen hatte, nahm er die Stellung wieder ein, die er einen Augenblick verlassen hatte. Die Angst war nicht nötig gewesen; aber die Insel näherte sich nichtsdestoweniger immer mehr dem Ufer.
»Wenn es so weitergeht«, sagte Bois-Rosé, »dann werden wir zwei Minuten später im Lager dieses indianischen Teufels sein. Ach, wenn wir doch mit Hilfe dieses großen Zweiges ein wenig rudern könnten – wir würden bald wieder auf den richtigen Weg kommen. Aber das Rauschen des Wassers würde unsere Flucht verraten!«
»Und doch werden wir uns dazu entschließen müssen; vielleicht ist die Gefahr, uns zu verraten, immer noch der Gewißheit vorzuziehen, in die Hände unserer Feinde zu fallen. Doch zuvor müssen wir untersuchen, ob auch diese Strömung, in die wir geraten sind, ihren Lauf nach dem Ufer nimmt; in letzterem Fall dürfen wir nicht länger zögern, und obgleich ein Baumzweig mehr Lärm im Wasser macht als ein mit Leinen umwickeltes Ruder, so wirst du doch dein Bestes tun, um leise zu rudern.«
Als Pepe diese Ansicht ausgesprochen hatte, brach er leise ein Stück trockenes Holz ab und warf es in den Fluß. Über Bord geneigt forschten Pepe und Bois-Rosé nach der Richtung, der das Holz folgen würde. Es befand sich an dieser Stelle infolge des Einflusses irgendeines tiefen Loches im Flußbett ein heftiger Wirbel. Einen Augenblick kreiste das Holz Stückchen, als ob es untergehen wollte; dann schwamm es rasch nach der dem Ufer entgegengesetzten Richtung. Die beiden Jäger stießen einen schweren Seufzer und einen leisen Ruf der Freude aus, wechselten aber bald einen bestürzten Blick miteinander. Der Zweig wurde von einer unteren Strömung zurückgeworfen und schwamm plötzlich zum Ufer. Es war keine Täuschung möglich – es mußte der Insel ebenso gehen wie dem Stückchen Holz, das ihr Vorläufer gewesen war. Wirklich schien die schwimmende Insel einen Augenblick unbeweglich stehenzubleiben; allein sie gehorchte endlich dem Einfluß der ersten Strömung und entfernte sich bald abermals vom Ufer. Der Nebelvorhang, der zugleich rechts und links immer dichter wurde, war für die beiden Jäger ein Beweis, daß ihr Floß wieder eine günstige Richtung eingeschlagen hatte.
So verfloß unter ängstlichem Wechsel von Furcht und Hoffnung ungefähr eine Stunde; dann verloren sich die indianischen Biwaks in nebliger Ferne. Die Flüchtlinge waren beinahe außer aller Gefahr. Indes mußte man sich nun selbst forthelfen. Beruhigt durch die zurückgelegte Strecke, stellte sich der frühere Matrose an das hintere Ende der Insel und begann bald mit dem Zweig in seiner Hand kräftig zu rudern.
Wie ein lange Zeit seinen Launen überlassenes Pferd endlich die Hand und den Sporn eines geschickten Reiters fühlt, so hörte auch die schwimmende Insel auf, sich nach allen Richtungen im Kreis zu drehen, und folgte viel schneller der Strömung. Wo das Wasser tiefer war, wurde ihre Bewegung vom Kanadier beschleunigt und gelenkt, und so hatte sie bald einen beträchtlichen Weg zurückgelegt. Von jetzt an konnten die drei Freunde annehmen, daß sie, wenn nicht ganz gerettet, doch wenigstens in größerer Sicherheit waren.
»Der Tag wird bald erscheinen«, sagte Bois-Rosé. »Wir müssen nun an dem einen oder dem anderen Ufer landen und das Weite suchen, denn wir machen zu Fuß einen doppelt so großen Weg als auf diesem Floß, das noch langsamer geht als ein holländischer Huker – und das will viel sagen.«
»Wohlan –lande, wo du willst, Bois-Rosé«, antwortete Pepe; »wir wollen dann zu Fuß im Wasser weitergehen, um den Indianern unsere Spuren zu verbergen. Wir tragen, wenn
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