Der Waldläufer
unbeweglich seine Lieblingsstellung angenommen – den Arm auf der Mündung seiner Büchse – und sah von all diesen Schätzen nur den an, der ihm der teuerste war: den jungen Mann. den der Himmel ihm zurückgegeben hatte.
Der eine von ihnen war der alte Begleiter des Spaniers in allen Gefahren; in hundert Kämpfen hatten sie zusammen ihr Kriegsgeschrei ausgestoßen wie jene Waffenbrüder der alten Ritterzeit, die stets unter demselben Banner kämpften; Kälte, Hunger und Durst – alles hatten sie gemeinsam ertragen; ihre Tage waren unter derselben Sonne, ihre Nächte unter demselben Sternenhimmel vorübergegangen.
Der andere war ein durch seine Schuld verwaistes Kind – zwanzig Jahre hindurch hatte sein Gewissen ihm dies vorgeworfen; dieses Kind war das Leben, die Liebe seines einzigen Freundes in dieser Welt. Aber der Teufel der Habgier, die sein Herz zernagte, wischte all diese Erinnerungen der Vergangenheit aus: Diese beiden Männer waren heute zuviel in seinen Augen. Ein Schauder des Schreckens ließ den Körper des Spaniers erzittern, als diese Gedanken durch seine Seele fuhren. Ein heftiger Kampf entstand in seinem Innern; ein Kampf der Gefühle seiner Jugend gegen die viel edleren Gefühle, die der Anblick der wilden Natur, in der sich der Mensch Gott näher fühlt, in ihm entwickelt hatte. Aber dieser so schreckliche Kampf war nur kurz; der Grenzjäger von ehemals war plötzlich verschwunden, und als Pepe seine gehässigen Gedanken zum Bewußtsein kamen, trug die edle Natur, die er wiedergewonnen hatte, den Sieg davon – der alte Mensch war auf immer besiegt, es blieb nur noch der Waldläufer da, der durch die Reue und durch die Wildnis gereinigt war.
Pepe kniete immer noch auf dem Boden, er hatte die Augen geschlossen; eine verstohlene Träne – eine Träne, die von seinen beiden Gefährten ebensowenig bemerkt wurde wie der Kampf, aus dem er als Sieger hervorgegangen war – drang durch seine Augenlider und rollte über seine bronzene Wange. »Señor Graf von Mediana«, sagte er, sich erhebend, »Ihr seid von heute an ein reicher und mächtiger Herr, denn all dieses Gold gehört Euch allein!« Bei diesen Worten entblößte er seine Stirn und verbeugte sich mit einer erhabenen Anstrengung ehrerbietig vor dem, der ihm von jetzt an nichts mehr zu verzeihen hatte. »Das wolle Gott nicht«, sagte Fabian lebhaft, »daß ihr nicht mit mir dieses Gold teilt, nachdem ihr meine Gefahren geteilt habt. Was sagst du dazu, Bois-Rosé? Freust du dich nicht, daß du ebenfalls in deinem Alter noch ein reicher und mächtiger Herr wirst?«
Aber Bois-Rosé beharrte immer noch in seiner Stellung und stützte ruhig den Arm auf den Lauf seiner Büchse. So großen Reichtümern gegenüber unerschütterlich wie der Felsen, der sich über ihnen erhob, begnügte er sich damit, den Kopf zu schütteln, während ein Lächeln unaussprechlicher Liebe für Fabian von dem einzigen Interesse zeugte, das er an diesem wunderbaren Anblick nahm. »Ich denke wie mein Freund Pepe«, sagte der Kanadier. »Was sollte ich mit diesen Reichtümern machen, nach denen jedermann so begierig ist? Wenn dieses Gold für uns einen unschätzbaren Wert hat, so liegt der Grund davon darin, daß er dir gehören soll; der Besitz des kleinsten Kiesels würde in seinen und in meinen Augen den Wert des Dienstes schmälern, den wir dir haben leisten können. Aber der Augenblick ist da, zu handeln und nicht zu sprechen; gewiß sind wir in dieser Einöde nicht allein.«
Dieser letzte Gedanke erinnerte die drei Freunde daran, daß die Zeit wirklich kostbar war. Pepe bog zuerst die Zweige der Baumwollstauden auseinander und drang durch die grüne Einfassung; aber kaum hatte er das Val d'Or betreten, als ein Schuß im Berg widerhallte. Nach einigen Sekunden der Angst um das Schicksal ihres Gefährten beruhigte sie seine Stimme. »Das ist der Teufel«, rief der Jäger, »der uns verwehren will, Eingriffe in sein Eigentum zu tun; aber auf jeden Fall ist es ein Teufel, dessen Auge nicht untrüglich ist.«
Der Kanadier und Fabian hoben, ehe sie ebenfalls das Tal betraten, ihre Augen zum zweitenmal zum Gipfel der Pyramide, von der der Schuß und die Stimme, die sie gehört hatten, herzukommen schienen. Aber ein dicker Nebel, den der Wind vom Gipfel der Berge abgelöst hatte, entzog ihrem Blick gerade die Plattform des Felsens und seine phantastische Ausschmückung.
Bois-Rosé und Fabian hatten den Spanier bald erreicht, und alle drei wandten sich ganz von selbst nach
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