Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
den Seemann leitet, erloschen ist. Fabians Herz war traurig wie das Herz, das nicht mehr hofft. Er näherte sich mechanisch dem dichten Gebüsch, das vor ihm eine fast undurchdringliche Hecke bildete. Doch kaum hatte er mitten durch diese verschlungenen Zweige geblickt, als er starr vor Erstaunen stehenblieb.
    Der bläuliche Schatten, der noch die Tiefe der Tals bedeckte, verschwand vor der Sonne und enthüllte nach und nach durch sein Verschwinden eine unzählige Menge geheimnisvoll leuchtender Punkte. Dicht gereiht wie die Steine am flachen Meeresufer, ließen sich die Kiesel, die das Licht ausstrahlten, in einem Tag nicht zählen. Jeder andere als ein Goldsucher hätte sich beim Anblick dieser Kiesel, die ganz den verglasten Steinen am Fuß der Vulkane glichen, getäuscht abgewandt; aber das geübte Auge Fabians brauchte nur halb hinzusehen, um unter seiner tonartigen Hülle das gediegene, ursprüngliche Gold zu erkennen, wie es die Gießbäche von den Bergen in die Ebene tragen. Vor seinen Augen breitete sich der reichste Schatz aus, der sich jemals dem forschenden Blick eines Mannes gezeigt hat.
    Und doch – wenn der Windhauch an das Ohr des jungen Grafen von Mediana die Töne von Rosaritas Stimme, als sie ihn einige Tage vorher nach der Hacienda zurückrief, durch die Wildnis getragen hätte, hätte er freudig all diese Schätze liegen lassen, um zu ihr zu eilen. Aber der Wind war stumm, und es liegt ein solcher Zauber im Gold, daß Fabian trotz seiner tiefen Traurigkeit einen Schwindel fühlte, von dem er sich nicht befreien konnte.
    Aber es dauerte nicht lange. Die Seele Fabians gehörte zu denen, die vom Glück nicht berauscht werden, und nachdem die Aufregung, von der sich auch das teilnahmsloseste Herz nicht freimachen kann, einige Minuten gewährt hatte, rief er seine beiden Gefährten. Der Jäger und Pepe hatten sich bald eingefunden. »Habt Ihr ihn gefunden?« rief der ehemalige Grenzsoldat.
    »Den Schatz, aber nicht den Mann. Seht hier!« sagte Fabian, indem er mit seiner Büchse das Netz von Lianen auseinanderbog, das den Blick in das kleine Tal verwehrte.
    »Was?« fragte Pepe. »Diese funkelnden Steine ...?« »... sind reines Gold! Es ist der Schatz, den Gott seit Jahrhunderten hier verbirgt.«
    »Gott Jesus!« rief Pepe starr vor Staunen. Dann heftete er seine Augen glühend auf diese schwindelerregende Masse von Reichtümern, die vor ihm ausgebreitet lagen, und fiel auf die Knie. Leidenschaften, die er schon längst unter seine Füße getreten glaubte, schienen bis zu seinem Herzen zurückzuströmen; eine vollständige Umwandlung ging mit ihm vor, und der unheimliche Ausdruck seines Gesichts erinnerte plötzlich an den Banditen, der vor zwanzig Jahren um den Blutpreis gefeilscht hatte.
    Fabian blickte mit melancholischem Antlitz auf das in den Kieseln spielende Licht. Er dachte daran, daß all diese Reichtümer für ihn nicht soviel Wert besaßen wie ein Lächeln, ein Blick von der, die ihn verschmäht hatte.
    »Jetzt kann ich mir erklären«, fuhr Fabian fort, »wie die beiden Ströme bei ihrem jährlichen Steigen und die Gießbäche, die von den Nebelbergen herabstürzen, dieses enge Tal bedecken und hier, jeder von seiner Seite her, das Gold der Minen und der Hügel aufhäufen; die Lage dieses Tals ist vielleicht einzig in der Welt.«
    Aber der Spanier hörte die Stimme Fabians nicht; die Reichtümer gewannen in seinen Augen wieder ihren zauberischen Einfluß, obgleich die rauhe Lektion, die er bekommen hatte – das unabhängige Leben, das wilde Glück, das er seit zehn Jahren genoß –, ihn hätte lehren sollen, sie zu verachten. Wie eine unglückbringende Leidenschaft, die in dem Herzen, das sie zerrissen hat, nur schlecht gedämpft ist und bei einem Wort, einer zufälligen Erinnerung heftiger als jemals wieder erwacht, so erhob sich plötzlich die Goldgier beim Anblick dieser Schätze in der Seele des Jägers mit neuer Kraft.
    »Nicht wahr, Pepe, Ihr konntet nicht ahnen«, sagte Fabian immer noch gedankenvoll, »daß soviel Gold an einem Ort aufgehäuft gefunden werden könnte? Ich glaube es wohl. Ich selbst, dessen erstes Gewerbe doch
    das eines Goldsuchers gewesen ist, würde es nicht zu träumen gewagt haben, obgleich man mir davon erzählt hatte.«
    Pepe antwortete immer noch nicht. Seine Augen irrten immer noch über die Goldklumpen; er warf nur auf Fabian und Bois-Rosé einen unheimlichen Blick, der diejenigen nicht mehr zu sehen schien, die neben ihr standen. Der alte Jäger hatte

Weitere Kostenlose Bücher