Der Waldläufer
auslegte, sagte er auf die Gefahr hin, seinen schönsten und letzten Traum zu zerstören: »Fabian, mein Kind, ist das alles, was du mir zu sagen hast?«
In dem Augenblick, wo Fabian antworten wollte, erscholl ein fernes Getöse aus dem Nebel der Hügel und schien in der Ebene ein bestimmteres Echo zu finden. Der Wind trug zu den Ohren der beiden Sprechenden weniger dumpfe Donner als das Geräusch von unterirdischen Feuern in den Nebelbergen. Dieses ferne Getöse näherte sich zuweilen in ungleichen Zwischenräumen, als ob es von einem Gewehrfeuer herrühre. Die Nacht leiht solchen düsteren Tönen immer einen feierlichen Charakter; jeder Widerhall schien den Todeskampf eines menschlichen Wesens anzudeuten. Der Jäger vergaß einen Augenblick seine sorgenvollen Gedanken, um aufmerksam zu lauschen, und gab Fabian ein Zeichen mit der Hand, mit der Antwort noch zu warten.
Im selben Augenblick sprang der frühere Grenzjäger auf die Füße und näherte sich Bois-Rosé. »Das ist derselbe Lärm«, sagte er, »den wir in der vorigen Nacht gehört haben; aber horcht ... das Feuer verteilt sich in der Ebene. Ach, die Unglücklichen haben nicht mehr die Deckung ihres Lagers; die Befestigungen sind wahrscheinlich erstürmt; nun muß bei jedem Schuß ein Mann fallen, und die Apachen werden eine reiche Skalpernte halten! Wehe uns, wenn die Indianer sie alle vertilgen, denn bis jetzt ist die Nähe der Expedition unsere Rettung gewesen. Wir sind eine Nacht zu lange hier geblieben, Bois-Rosé.«
Die drei Freunde lauschten wiederum und verhielten sich ganz ruhig. Pepe hatte recht, wenn er sagte, daß die ganze Aufmerksamkeit der indianischen Horden auf die Schar der Abenteurer gerichtet wäre und sie es nur dieser Dazwischenkunft zu verdanken hätten, daß die einzelnen Männer so weit in die Steppe vordringen konnten. Es war dies übrigens, wie wir schon gesagt haben, nicht die einzige tollkühne Unternehmung, die der Kanadier und Pepe zu einem guten Ende geführt hatten, und andere vor ihnen hatten ebenfalls glücklich diese gefährlichen Ebenen durchstreift. Aber so unerschrocken man auch sein mag, so hat doch die Nähe der Gefahr – in der Nacht besonders – etwas Ernstes, und es war offenbar, daß die Gefahr sich näherte.
Stunde und Ort waren ganz dazu geeignet, traurige Gedanken einzuflößen; die Nacht, die den Hinterhalt verdeckt, die schauerlichen, rings um sie her hängenden Siegestrophäen zeugten von dem Schicksal, das die Besiegten von mitleidlosen Feinden zu erwarten hatten. Der Knall der Schüsse schien näher zu kommen, und von einem Augenblick zum anderen konnte ein Flüchtling, der die Richtung zur Pyramide, ihrem Zufluchtsort, verfolgte, etwa zwanzig Indianer zu den drei Jägern leiten.
»Wenn es nur etwa zwanzig wären«, antwortete Bois-Rosé auf die von dem ehemaligen Grenzjäger ausgesprochene Befürchtung, »so sollte bei der Stellung, die wir einnehmen, keiner von diesen Hunden einen Fuß auf die Plattform setzen; und bei dieser Gelegenheit, Fabian, muß ich dir meinen Rat wiederholen, der nicht zu verachten ist. Dein Blut ist zu feurig, mein Kind, und die Gefahr berauscht dich noch; merke dir's, man läßt sich aus allzu großem Mut ebenso wie aus zuviel Feigheit töten. Ein junger Mann kann der Versuchung nicht widerstehen, sobald er eine geladene Büchse in seiner Hand fühlt, davon Gebrauch zu machen; erinnere dich aber, daß jeder von uns nur Feuer geben darf, wenn die Reihe an ihm ist – und zwar, ohne sich zu beeilen –, und daß der dritte, ehe er seinen Schuß abgibt, immer warten muß, bis die beiden anderen wieder geladen haben. Das ist eine Taktik, deren Vortrefflichkeit Freund Pepe ebenso wie du kennengelernt hat, und auf diese Weise haben sechs Mann für jeden von uns nichts Schreckliches, obgleich sie zusammen achtzehn ausmachen. Nur – wenn es mehr sind, wird die Sache bedenklich, weil nach sechs Schüssen der Lauf heiß und schmutzig wird, auch die Kugel nicht mehr so gerade fliegt. Ich habe es bei mir selbst gesehen, wie ich so nach dem rechten oder linken Auge eines solchen Schelms gezielt habe und nachher sehr erstaunt war, ihn an den Augenbrauen getroffen zu haben. Was dich betrifft, so laß dich nicht von der Eigenliebe verleiten, und ziele nur auf die ganze Brust; das ist zwar weniger rühmlich, aber sicherer.«
Während Bois-Rosé diese Ratschläge mit dem kalten Blut und der Klarheit eines Professors am Katheder erteilte, hatte sich das Knattern des Gewehrfeuers abermals
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